© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  36/14 / 29. August 2014

Kleinmachnow und die russische Frage
Alternative für Deutschland: Unmittelbar vor den Landtagswahlen streitet die Partei über ihre Haltung in der Ukraine-Krise
Marcus Schmidt

Auch in Kleinmachnow geht es um Rußland. Eigentlich ist auf der Wahlkampfveranstaltung der AfD im Bürgersaal des Rathauses der Gemeinde im Berliner Speckgürtel die Landtagswahl am 14. September das Thema. Eigentlich. Doch neben dem Desaster des Flughafens BER, der regionalen Wirtschaftsförderung und der Grenzkriminalität geht es am Donnerstag vergangener Woche schnell auch um die Ukraine-Krise und das Verhältnis zu Rußland. Und darum, wie sich die AfD im allgemeinen dazu verhält und deren Europaabgeordnete im besonderen.

Seit Anfang vergangener Woche sind Teile der AfD in heller Aufregung. Ausgangspunkt ist die Zustimmung einiger Europaabgeordneter der AfD, darunter Parteichef Bernd Lucke und Hans-Olaf Henkel, zu einer rußlandkritischen Resolution des Parlamentes. Die parteiinternen Kritiker, angeführt von AfD-Vize Alexander Gauland, werfen ihren Parteifreunden vor, damit einen Beschluß des Erfurter Bundesparteitages zur Rußland-Politik mißachtet zu haben, der sich unter anderem gegen Wirtschaftssanktionen ausgesprochen hatte.

Unterstützung von Dagmar Metzger

Nun gehen in der Partei die Wellen hoch. Parteichef Lucke verteidigte sein Abstimmungsverhalten und verwies unter anderem darauf, daß die AfD-Abgeordneten auch auf ihre Einbindung in die ECR-Fraktion Rücksicht nehmen müßten. Eine Resolution eines Parlaments mit über 700 Abgeordnete aus 28 Staaten entspreche nie komplett den eigenen politischen Vorstellungen. „Man kann natürlich gegen alles stimmen, was dem eigenen Denken nicht völlig entspricht. Man kann aber auch abwägen, wieviel Positives und wie viele Unzulänglichkeiten in einer Resolution enthalten sind“, sagte der AfD-Chef. Dennoch fühlen sich Kritiker in der Partei in ihrer Auffassung bestärkt, Lucke agiere zunehmend autoritär und schere sich nicht um Beschlüsse, wenn diese nicht seinen Ansichten entsprächen. Schon kursieren an der Basis Rücktrittsforderungen und der Ruf nach einem Sonderparteitag. Für Außenstehende ist dabei nicht immer auf Anhieb zu entscheiden, ob diese Kritiker besonders zahlreich oder nur besonders laut sind. Oder gar beides.

Die Stichprobe in Kleinmachnow läßt zumindest keinen Zweifel daran, wie sehr das Thema Rußland die AfD-Basis umtreibt. Gauland, der in der JUNGEN FREIHEIT (JF 35/14) die aktuelle Auseinandersetzung durch seine harsche Kritik am Abstimmungsverhalten öffentlich gemacht hatte, sitzt an diesem Abend als Spitzenkandidat seiner Partei in Brandenburg auf dem Podium. Für seine Haltung zu Sanktionen gegen Rußland bekommt er dabei Unterstützung von ungewöhnlicher Seite. Ausgerechnet die frühere AfD-Pressesprecherin Dagmar Metzger, die für viele Konservative in der Partei ein rotes Tuch ist und eigens für diese Veranstaltung aus München angereist ist, springt Gauland bei. „Sanktionen treffen immer die Menschen und nicht die Regierungen“, sagt Metzger, und als wolle sie als Vertreterin des liberalen Parteiflügels die grundsätzlichen politischen Differenzen zwischen ihr und Gauland, beide schätzen sich persönlich, verdeutlichen, fügt sie hinzu: „Ich bin Transatlantikerin.“

Gauland hingegen versucht den Eindruck zu widerlegen, der Streit um Rußland in der AfD sei Ausdruck einer Auseinandersetzung zwischen Liberalen wie Hans-Olaf Henkel und den Konservativen. „Die Haltung zu Rußland ist keine Frage von konservativ oder liberal, sondern von richtiger oder falscher Außenpolitik“, sagt er. Mit Lucke hat er sich zu diesem Zeitpunkt bereits ausgesprochen. Ihr persönliches Verhältnis sei nicht belastet. Aber: „Es bleibt ein Dissens.“ Nicht ausgeräumt scheinen die Differenzen mit Henkel, der sein Abstimmungsverhalten wenig diplomatisch bekräftigt hatte. Die AfD sei eine Partei, „die von Vernunft bestimmt und meist von Vernünftigen vertreten“ werde, so der frühere BDI-Chef. „Dazu gehört, daß wir keinem stumpfen Kadergehorsam folgen, sondern unseren Menschenverstand pflegen.“ Eine deutliche Ansage, die nicht viel Raum für Verständigung läßt.

Wie sehr der Streit um die Rußlandpolitik den Landtagswahlkampf der AfD bestimmt, wurde am vergangenen Freitag deutlich. „Wir, die Spitzenkandidaten der Alternative für Deutschland in Sachsen, Thüringen und Brandenburg, plädieren dafür, daß die Bundesregierung und die EU anstelle von weiteren Sanktionen auf konstruktive Verhandlungen mit Rußland setzen, um zu einer einvernehmlichen Lösung des Konfliktes zu gelangen“, heißt es in der von Frauke Petry, Björn Höcke und Gauland unterzeichneten Erklärung. Am Montag legte die Brandenburger AfD dann auch noch ihr Wahlprogramm auf russisch vor. Doch das diene in erster Linie dazu, die Tausenden in Brandenburg lebenden Rußlanddeutschen auch in das politische Leben zu integrieren, versicherte die Partei. Daneben sei die Übersetzung aber durchaus auch als Zeichen der Verständigung zwischen Deutschland und Rußland gedacht – „gerade während der Ukraine-Krise“.

Foto: AfD-Sprecher Bernd Lucke, Partei-Vize Alexander Gauland: „Kein stumpfer Kadergehorsam, sondern Menschenverstand“

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