© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  35/14 / 22. August 2014

Nur die Versprechen wachsen
Italien: Ein halbes Jahr nach seinem Amtsantritt erweisen sich Renzis Reformvorhaben als Luftnummer
Paola Bernardi

Wie eine kalte Dusche wirkte die Nachricht in diesem schwül-heißen Sommer: Italien befindet sich wieder in der Rezession. Im zweiten Quartal schrumpfte das reale Bruttoinlandsprodukt (BIP) gegenüber dem ersten Vierteljahr um 0,2 Prozent und im Vergleich zum Vorjahresquartal um 0,3 Prozent. Die Mailänder Börse reagierte mit deutlichen Kursabschlägen. Wieder entwickelt sich Italien aufgrund des niedrigen Wirtschaftswachstums, einer weiter steigenden Jugendarbeitslosigkeit und in Anbetracht einer rasant wachsenden Verschuldung – vergangene Woche vermeldete die Zentralbank ein Rekorddefizit von 2,2 Billionen Euro – zum Sorgenkind des Euroraums.

Genossen blockieren ihren vielgelobten Parteichef

Ministerpräsident Matteo Renzi, Chef der sozialdemokratischen Partei (PD), steht seit seinem Amtsantritt vor sechs Monaten mehr und mehr unter Beschuß. Er, der junge Senkrechtstarter, der mit seinen 39 Jahren Italien erneuern wollte. Doch die versprochenen Reformen lassen, in erster Linie aufgrund des Unwillens der eigenen Genossen und der Gewerkschaften, auf sich warten.

Zuerst plante der Florentiner, institutionelle Reformen durchzusetzen, um das Land regierbarer zu machen. Dann versprach er Reformen im Bereich des rigiden Arbeitsmarktes und auch in der ineffizienten öffentlichen Verwaltung, außerdem wollte er das Steuersystem vereinfachen und das ineffektive Justizwesen mit seinen jahrelangen Prozessen beschleunigen. Er versprach Steuersenkungen, ferner eine sofortige Tilgung aller Zahlungsrückstände des Staates gegenüber Lieferanten und wollte schließlich Milliarden für den sozialen Wohnungsbau, neue Schulgebäude und den Landschaftsschutz zur Verfügung stellen. Sechs Monate später sind diese Baustellen zum Teil noch gar nicht in Angriff genommen.

Auf EU-Ebene verpflichtete sich Renzi zudem für 2015 zu einem ausgeglichenen Haushalt. Doch der eingesetzte Sparkommissar vom IWF, Carlo Cottarelli, kommt mit seinen Kürzungen nicht voran. Im Gegenteil, ein Wahlgeschenk für einen monatlichen Steuerbonus von 80 Euro für Geringverdiener belastet die Staatskasse nun jährlich um weitere zehn Milliarden Euro.

An seine Grenzen stieß Renzi, als er Brüssel überzeugen wollte, ein Tauschgeschäft zu akzeptieren: Viele Reformen in Angriff zu nehmen und dafür den Staatshaushalt erst 2016 auszugleichen. Doch die europäischen Partner wiegelten ab, wollten nichts von einer flexiblen Auslegung der EU-Budgetregeln wissen.

All die Verfehlungen der Regierung Renzi lassen die Opposition jubilieren. Die rechte Lega Nord fordert seinen Rücktritt. Silvio Berlusconi, Ex-Premier, Chef der oppositionellen Forza Italia, bemerkte nur düster, dies sei genau die Situation wie 2011. Damals wurde er gezwungen, „freiwillig“ zurückzutreten, um Mario Monti den Posten des Ministerpräsidenten zu überlassen. Der liberale Corriere della Sera ergänzte: „Es wachsen nur die Versprechungen in Italien.“

Doch all die Häme läßt Renzi kalt. Als jetzt die düsteren Wirtschaftzahlen Italiens bekanntgegeben wurden, stellte er lapidar fest: „Das ist kein Fall Italien, die ganze Eurozone ist in der Krise. Sogar Deutschland.“ Dabei lächelte er schadenfroh.

Foto: Ministerpräsident Matteo Renzi: Immer öfter fehlen ihm die Worte

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