© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  35/14 / 22. August 2014

Sechs Richtige für Ex-Politiker
Lobbyismus: Lotto-Gesellschaften als Ruheraum
Paul Humberg

Ronald Schill war einmal zweiter Bürgermeister und Innensenator der Freien und Hansestadt Hamburg. Jetzt sitzt er im Big-Brother-Container (siehe Seite 24). Ole von Beust war zu Schills-Zeiten als Politiker Erster Bürgermeister Hamburgs und das Gesicht der vermeintlich modernen „Großstadtpartei CDU“. Jetzt betreibt er über seine Firma Ole von Beust Consulting Lobbyarbeit für den Deutschen Lotto- und Totoblock (DLTB). Auch Roland Koch war lange Zeit ein Star in der deutschen Politik. Das Kanzleramt trauten ihm viele zu. Beim Baukonzern Bilfinger ist der frühere hessische Ministerpräsident als Manager nach kurzer Zeit gescheitert.

Nicht erst seit dem Scheitern Kochs stellt sie daher die Frage: Können Politiker Wirtschaft? In Sonntagsreden wird gebetsmühlenartig ein stärkerer personeller Austausch zwischen Politik und Wirtschaft gefordert. Ex-Politiker sind in der Wirtschaft allerdings vor allem wegen ihrer Kontakte gefragt. Ein prall gefülltes Adreßbuch ist ein gutes Startkapital als Lobbyist. Roland Kochs Fall ist anders gelagert. Er stand an der Spitze eines großen Baukonzerns. Sein Erfolg oder Mißerfolg war meßbar, am Börsenkurs, im Stellenplan. Die Anforderungen an einen Spitzenpolitiker und einen Spitzenmanager ähneln sich durchaus. Beide müssen große Apparate lenken, haben Personalverantwortung und müssen sich in der Öffentlichkeit „verkaufen“. In der Regel mangelt es Seiteneinsteigern aus der Politik, die zuvor Jahrzehnte in den Hinterzimmern der Macht gekungelt haben, aber an einem entscheidenden Kriterium: der fachlichen Eignung.

Ex-Politiker haben dann eine Chance, wenn sie ganz ohne Ausschreibung und lästige Konkurrenten im Bewerbungsverfahren an hochdotierte Jobs in staatsnahen Unternehmen kommen. Beim DLTB scheinen solche Blitzkarrieren mit Gehältern bis zu 200.000 Euro im Jahr an der Tagesordnung zu sein, wie jüngst das ARD-Magazin „Monitor“ recherchierte. Sechs Richtige im Lotto sind für die Spieler eine äußerste Seltenheit. „Für abgehalfterte Politiker dagegen ist die Chance auf einen Lotto-Volltreffer viel größer“, bemerkte die Hamburger Morgenpost Dementsprechend hart fällt das Urteil des Verwaltungswissenschaftlers Hans Herbert von Arnim aus: „Hier hat die Politik unter Ausnutzung der Spielleidenschaft der Menschen üppige Pfründen geschaffen für Ex-Politiker. Es handelt sich hier quasi um Versorgungsposten an politisch genehme Personen. Derartige Fälle von Versorgungspatronage, wie sie hier sich zeigen, sind mir selten untergekommen.“

Die Große Koalition aus CDU und SPD bildet sich auch bei diesen hochdotierten Versorgungsposten ab. Zum Beispiel Martin Stadelmaier (SPD). Dieser hatte noch 2011 als Staatskanzleichef des damaligen rheinland-pfälzischen Ministerpräsidenten Kurt Beck (SPD) die „heftige Lobbyistentätigkeit“ bei der Novellierung des Glücksspiel-Staatsvertrags beklagt. Heute ist er selber Cheflobbyist bei Lotto – in der Berliner Hauptstadtrepräsentanz. In einer Pressemitteilung ließ Stadelmaier verlauten: „Die Produkte rund um Lotto stehen für einen verantwortungsvollen Spielbetrieb in Deutschland. Ich freue mich darauf, bei der Etablierung der Berliner Repräsentanz hilfreich zu sein.“ Außerdem freue er sich, daß das Unternehmen Ole von Beust Consulting für eine Zusammenarbeit gewonnen werden konnte. Auf die fachliche Eignung dieser Beratungsfirma findet sich kein Hinweis, nur auf die politische Vita ihres Chefs.

Auch Jürgen Häfner (SPD), früher Staatssekretär im Mainzer Innenministerium, wurde ohne Ausschreibung Geschäftsführer bei Lotto Rheinland-Pfalz. Nachdem Grün-Rot die Macht in Baden-Württemberg übernommen hatte, wurde dort die frühere Staatssekretärin im Bundesgesundheitsministerium, Marion Caspers-Merk (SPD), Lotto-Geschäftsführerin. Ohne Ausschreibung. Ihr Vorgänger war der CDU-Politiker Friedhelm Repnik. Im Saarland teilen sich gleich zwei „abgehalfterte“ Politiker einen Lotto-Top-Job: Michael Burkert (SPD), Ex-Präsident des Stadtverbandes Saarbrücken, und Peter Jacoby (CDU), früher Finanzminister.

Politischer Filz und politische Patronage scheinen im System Lotto also üblich zu sein – parteiübergreifend. Man kauft so offensichtlich nicht Kompetenz ein, sondern Kontakte. Warum ausgerechnet ein staatliches Unternehmen die Glücksspielexpertise ehemaliger Politiker benötige, wurde Ole von Beust von der Frankfurter Allgemeinen Zeitung gefragt. Er antwortete, die Materie sei politisch so komplex, daß das Know-how erfahrener Ex-Politiker nötig sei.

Beim Blick auf die zahlreichen Einzelbeispiele wird schnell deutlich, wer die wahren Profiteure des staatlichen Lotto-Monopols sind – nämlich ehemalige Politiker, die in ihrer aktiven Zeit als Volksvertreter auch gerne einmal gegen die Spielsucht zu Felde ziehen.

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