© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  34/14 / 15. August 2014

David Engels sagt mit Blick in die Geschichte der EU den Weg in den Autoritarismus voraus
Prophet des Untergangs
Theo Homann

Der belgiendeutsche Mittdreißiger schaut aus wie ein Zwillingsbruder des jungen Peter Handke. Und liebt wie der das Spiel mit der Provokation. Sein jüngst erschienener, ziegelsteindicker Wälzer „Auf dem Weg ins Imperium. Die Krise der Europäischen Union und der Untergang der Römischen Republik“ empört die Kritiker als „Symptom der Rückwärtsgewandtheit“ und „neue Version alten Denkens, das aber den Nerv des Zeitgeists trifft“, wie sich etwa der Rezensent des Deutschlandfunks warnend gruselt.

Zumindest in Frankreich hat sich der zugesprochene Erfolg bereits eingestellt, wo Engels Buch nach wenigen Monaten schon die zweite Auflage erreicht hat. Kulturkritisch ambitioniert macht der 1979 in der Wallonie geborene umtriebige Althistoriker, der 2008 an den Lehrstuhl für römische Geschichte der Freien Universität Brüssel berufen wurde, in seinem Buch frappierende Parallelen plausibel: Bürgerkrieg, Cäsarismus, Verwandlung der Republik in ein Imperium. Mutatis mutandis, so Engels, scheint sich dieses Kapitel der römischen Geschichte in der gegenwärtigen Krise der „konstruktivistischen EU“ zu wiederholen – Alarm!

Was also meint Engels wirklich, wenn er der EU den Untergang voraussagt? Nicht deren Verschwinden, sondern ihr Umkippen – oder wie Engels formuliert: deren augusteische Wende. Augustus, das war jener erste Kaiser, der im ersten Jahrhundert nach Christus Rom von der Republik ins Kaiserreich führte. Wie damals sieht Engels die Demokratie heute als erschöpft, immer mehr sei sie nur noch vortäuschende Maske hinter der der Brüsseler Autoritarismus wächst. Indizien, so Engels, gebe es allenthalben: „Volksabstimmungen werden ignoriert oder wiederholt, bis das Ergebnis stimmt, defizitäre Staaten unter Provinzialverwaltung gestellt, ja die EU-Verträge sehen noch nicht einmal ein klares demokratisches Prozedere für die Ernennung des Kommissionspräsdienten vor.“

Ebenso kühn wie statistisch kühl mißt Engels zwölf strittige politische, gesellschaftliche und kulturelle Felder aus, jeweils mit Blick auf deren römische Vergangenheit und ihre brüsselanische Gegenwart. Das Ergebnis ist bestürzend: Für eine genuine, christliche, traditionelle Europa verantwortliche Raum- und damit Geschichtstreue stehe die Lebensuhr auf fünf vor zwölf.

Gibt es Rettung? Auch die Rückkehr zum Europa der Nationalstaaten sieht Engels skeptisch, denn diese würden „zur leichten Beute der sich überall formierenden Imperien in Asien und Amerika“. Und so hofft er, daß sich das schmittianisch konzipierte imperiale Europa aufs neue seiner geistigen Waffen versichert, die innere wie äußere Feinde ihm nahmen. Organische chthonische Kraft, so Engels Weckruf, entfalte sich wider Schimären, Retorten und Universalismen, gegen den falschen Schein des EU-Katzengolds.

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