© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  33/14 / 08. August 2014

Jenseits von Brüssel
Alternative für Deutschland: In Sachsen, Thüringen und Brandenburg wollen die Euro-Kritiker mit gesellschaftspolitischen Themen punkten
Marcus Schmidt

Wer in der Alternative für Deutschland (AfD) gedacht hatte, nach dem Einzug der Partei in das Europaparlament sei ein Erfolg bei den Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg ein Selbstläufer, sieht sich getäuscht. Der Partei steht in den drei Ländern der vermutlich härteste Wahlkampf ihrer jungen Geschichte bevor.

Diesen Eindruck vermittelten zumindest die Reaktionen auf den gemeinsamen Auftritt der AfD-Spitzenkandidaten in der vergangenen Woche in Berlin. Da die Euro-Krise bei den Landtagswahlen nur eine untergeordnete Rolle spielt, rückten Frauke Petry (Sachsen), Alexander Gauland (Brandenburg) und Björn Höcke (Thüringen) andere Themen in den Vordergrund, etwa die Familien-, Bildungs- und Ausländerpolitik. Während Petry angesichts der demographischen Krise in Deutschland für die Drei-Kinder-Familie plädierte und Gauland die hohe Grenzkriminalität problematisierte, sagte Höcke der Political Correctness den Kampf an.

In den Medien wurde der Auftritt der drei Kandidaten daher vielfach als Beleg eines angeblichen Rechtsschwenks der Euro-Kritiker bewertet. Die Zeit bescheinigte der AfD gar, sie habe sich damit „deutlich rechts von der politischen Mitte“ positioniert – was nicht als Kompliment gedacht war.

„Familie gilt als spießig und uncool“

Aus Sicht der AfD machte diese gesellschaftspolitische Positionierung dagegen erneut deutlich, daß sie sich nicht als Ein-Themen-Partei versteht. Ziel der AfD sei es vielmehr, das gesellschaftliche Gleichgewicht wiederherzustellen. „Dafür muß sie auf allen politischen Ebenen des föderalen Staates präsent sein“, sagte Gauland. Und dazu gehören ohne Frage die Landtage.

Die konservative Grundierung des gesellschaftspolitischen Programms der AfD machte auch Parteichef Lucke in einem in der vergangenen Woche veröffentlichten Interview mit dem Internetportal Kath.net deutlich. Darin unterstrich er unter anderem die Bedeutung der Familienpolitik für seine Partei.„Der Schutz der Familie und das Wohl der Kinder sind uns wichtig – deshalb wollen wir, daß diejenigen gesellschaftliche Anerkennung erfahren, die sich Zeit für die Betreuung und Erziehung ihrer Kinder nehmen“, sagte Lucke und attestierte der traditionellen Familie ein Imageproblem: „Daß Mann und Frau heiraten und gemeinsam Kinder aufziehen, ist zwar zum Glück immer noch der Normalfall, gilt aber in manchen tonangebenden Kreisen unserer Gesellschaft, die sich als fortschrittlich verstehen oder auf Schickimicki machen, als langweilig, verstaubt, spießig oder uncool.“

Deutlich bekannte sich Lucke auch zum Lebensschutz. „Das ungeborene Leben wird bei uns nicht angemessen geschützt, und die Abtreibung aufgrund dessen, was früher mal die psycho-soziale Indikation hieß, halte ich für einen Frevel“, kritisierte er. Letzendlich sei dies aber eine Frage des Gewissens. „Deshalb wird die AfD, wenn es nach mir geht, in diesem Punkt keine Parteiposition beschließen, sondern es ihren Abgeordneten anheimstellen, in dieser Frage nach ihrem Gewissen zu handeln und zu stimmen“, machte der AfD-Chef deutlich.

In der Partei stießen die jüngsten Positionierungen der AfD nicht überall auf Gegenliebe. Der Pressesprecher der Partei in Bayern, der auch Bezirksvorsitzender von Oberfranken war, Franz Eibl, trat am Tag nach der Berliner Pressekonferenz aus der AfD aus. „Das gestern vorgestellte Gesellschaftsbild ist schlichtweg reaktionär und für Menschen, die für eine pluralistische, liberale, offene und tolerante Gesellschaft eintreten, nicht akzeptabel“, lautete sein harsches Fazit. Das Medienecho sei zu Recht desaströs. Die Parteiführung schade mit solchen Auftritten massiv „den guten und richtigen Anliegen“, die zur Gründung der AfD geführt hätten. „Wenn die Parteiführung rechts blinkt, wird sie nur für Menschen interessant, welche die AfD nicht als Partei der bürgerlichen Mitte positionieren wollen“, warnte Eibl.

Diese massive Kritik blieb indes in der Partei ein Einzelfall. Am Ende des Sommers, so scheint es derzeit, könnte die AfD nicht nur in drei Landtagen sitzen, sondern auch ihr konservatives Profil deutlich geschärft haben.

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen