© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  31-32/14 / 25. Juli 2014

Süße Sünde
Halloren: Wie sich die älteste Schokoladenfabrik Deutschlands zur Aktiengesellschaft mausert
Paul Leonhard

Was dem Österreicher die Mozartkugel und dem Westdeutschen Ferrero Rocher, sind in den neuen Bundesländern die Halloren. 1952 an der Saale erfunden, besticht die gefragte Leckerei, die innen aus feinster Sahne- und Kakao-Creme besteht und außen von zarter Schokolade umhüllt ist, heute durch Variantenreichtum. „Caipirinha“ nennt sich die neueste Sorte und ergänzt die knapp anderthalb Dutzend verschiedenen Geschmacksvariationen der Familien Schoko (Eierlikör, Limoncello, Schwarzwälder-Kirsch, Karamel, Rum) und Joghurt (Himbeere, Maracuja, Kirsch-Classic). 180 Millionen Halbkugeln laufen jährlich vom Band.

Zu DDR-Zeiten backte das Unternehmen kleinere „Brötchen“. Die SED ließ die 1804 gegründete und seit 1851 von der Familie David geführte Schokoladenfabrik enteignen und an das volkseigene Süßwarenkombinat Halle angliedern. Da überlegten die führenden Genossen, wie sie der Bevölkerung den harten Aufbau versüßen könnten und gaben die „Volkspraline“ in Auftrag. Die Lebensmittelchemiker bemäntelten die sozialistische Mangelwirtschaft in der ältesten Schokoladenfabrik Deutschlands clever: Als Grundstoff nahmen sie Fondant, den sie mit Kakao anreicherten und mit Schokolade umhüllten.

Name geht auf die Salzleute an der Saale zurück

Das Unternehmen hatte sich inzwischen nach den einst im 15. Jahrhundert im Tal der Saale siedelnden Salzleuten, den Halloren, in VEB Schokoladenfabrik Halloren umbenannt. Folgerichtig hießen auch die Schoko-Kugeln fortan „Halloren“. Offiziell sollten sie an die Silberknöpfe am Festgewand der Halloren-Salzwirkerbruderschaft als Teil des werktätigen Volkes erinnern.

Wie Ferrero Rocher im Westen trafen die Halloren den Geschmack des Ostens; bald waren sie „Bückware“, die unter dem Ladentisch gehandelt wurde. Trotzdem wäre die Erfolgsgeschichte um ein Haar mit der Wiedervereinigung zu Ende gewesen, hätte nicht der Wirtschaftsprüfer Paul Morzynski das vom Konkurs bedrohte Unternehmen von der, wie er sagt, „Todesliste der Treuhand“ erworben.

Der Hannoveraner, Jahrgang 1950, kaufte die Schokoladenfabrik für umgerechnet rund 200.000 Euro und investierte sofort in eine neue Produktionsstraße, die ein Drei-Schicht-System ermöglichte. Gleichzeitig erweiterte er das Halloren-Kugeln-Sortiment um neue Geschmacksrichtungen und kaufte zu. 2001, neun Jahre nach dem Neustart in Halle, erwarb er die Confiserie Dreher GmbH aus Bad Reichenhall und verlagerte die Produktion von Mozartkugeln nach Halle. Zwei Jahre später folgte die Weibler Confiserie & Chocolaterie GmbH in Cremlingen, zu deren Sortiment Osterhasen, Weihnachtsmänner, Schokoladenreliefs und Lollis gehören.

2008 rettete Morzynski die nahe Halle gelegene Delitzscher Schokoladenfabrik vor dem Konkurs und integrierte sie. Drei Jahre später folgte die niederländische Steenland Chocolate BV in Gouda, die auf Schokomünzen, Schokomedaillen und Disney-Lizenzartikel spezialisiert ist und in mehr als 50 Länder exportiert. Im vergangenen Jahr gingen die Hallenser eine strategische Partnerschaft mit dem belgischen Pralinen- und Schokoladenhersteller Bouchard Daskalidès NV in Gent ein, von dem sie 50 Prozent der Anteile kauften.

Neueste Anschaffung Morzynskis ist das 1948 gegründete Wahlstedter Schoko- und Kaffee-Unternehmen Arko (Arbeitsgemeinschaft für den Vertrieb von Konsumgütern) mit rund 700 Mitarbeitern und einem Umsatz von rund 65 Millionen Euro. Zehn Millionen Euro will er hier in den nächsten Jahren investieren, um die Traditionsmarke im Wettbewerb zu behaupten und Stammkunden zu halten.

Allerdings wird Arko nicht dem Unternehmen in Halle angegliedert, sondern von der Familienholding „Waldersee Treuhand- und Vermögensgesellschaft“ in Hannover aus gesteuert. Für Arko sollen Paul Morzynskis Söhne André und Marc zuständig sein. Größter Stolz der Unternehmerfamilie dürfte aber die Halloren-Schokoladenfabrik AG mit ihren rund 800 Mitarbeitern an fünf Standorten in Deutschland, den Niederlanden und Belgien bleiben. Das Unternehmen konnte im ersten Quartal 2014 seinen Konzernumsatz um 23 Prozent auf 27,9 Millionen Euro und auch sein Auftragsvolumen steigern. Für die Aktionäre gibt es eine Dividende.

Dreidimensionaler Stadtplan Halles

Für das Gesamtjahr rechnet Vorstandsvorsitzender Klaus Lellé mit einer Steigerung der Umsätze von sechs Prozent auf 125 Millionen Euro. Trotz anhaltend steigender Rohstoffpreise will die Schokoladenfabrik auf Wachstumskurs bleiben. „Wir werden unsere Wachstumsstrategie konsequent weiterentwickeln und die Produktion steigern“, sagt Lellé. Mehr als fünf Millionen Euro sollen in die Standorte Halle und Delitzsch investiert werden.

Außer positiven Zahlen hat die Aktiengesellschaft auch ein firmeneigenes Schokoladenmuseum zu bieten. Es erzählt nicht nur vom Ursprung der Schokolade und der Tradition der Halloren, sondern ermöglicht auch einen Panoramablick in die Halloren-Confiserie, wo feinste Pralinen und Trüffel produziert und dekoriert werden.

Und dann ist da noch das Schokoladenzimmer, aus 1.400 Kilo Schokolade und 300 Kilo Marzipan gestaltet. Ein echter Hingucker wie der über 2,20 Meter große dreidimensionale Stadtplan Halles, gefertigt aus Vollmilch- und Zartbitterschokolade.

Foto: Tradition trifft auf Moderne: Vollautomatisierte Verpackungsanlagen sorgen dafür, daß die Hallenser Halbkugel heil beim Verbraucher ankommt

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen