© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  31-32/14 / 25. Juli 2014

Widerstand gegen das Unrecht
Gedenkfeier: Das politische Berlin paßt die Erinnerung an den 20. Juli an den Zeitgeist an / Linksextremisten dennoch weiter unzufrieden
Ronald Gläser

Vor allem im Fliegerviertel des Bezirks Tempelhof schauten viele Berliner morgens irritiert auf ihre Straßenschilder. So waren beispielsweise der Rumeyplan, der Siegertweg und die Manfred-von-Richthofen-Straße nachts weiß überklebt worden. Ein Pappschild informierte darüber, daß der jeweilige Namensgeber für „Krieg, Militarismus und Nationalismus steht“.

Anlaß der Aktion sei das „feierliche Gelöbnis“, das jährlich am 20. Juli abgehalten werde, hieß es im Bekennerschreiben auf dem linksextremen Internetportal Indymedia. Auf der Liste der umbenannten Straßen stand auch der Goerdelerdamm in Berlin-Charlottenburg. Der frühere Oberbürgermeister Leipzigs sei ein Antisemit gewesen, was aus Sicht der Umbenenner schwerer wiegt als seine Beteiligung am 20. Juli.

An diesem 70. Jahrestag sollte es nicht bei einem Gelöbnis bleiben. Diesmal gab es gleich drei Veranstaltungen am 20. Juli: Neben dem Gelöbnis am Abend und einem Gedenken in Plötzensee kamen rund 300 Gäste zu einer zentralen Feier im Ehrenhof des Bendlerblocks zusammen. Zahlreiche amtierende und ausgeschiedene Spitzenpolitiker nahmen daran teil, darunter die Ex-Bundespräsidenten Christian Wulff und Richard von Weizsäcker sowie Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen. Bundespräsident Joachim Gauck hielt die Hauptrede. Er bezeichnete die Verschwörer als „Lichtgestalten der Geschichte“, von deren „moralischem Erbe unser Land bis heute zehrt“. Der Staatsstreich gegen die NS-Führung sei zwar gescheitert, aber der mutige Einsatz sei trotzdem nicht vergeblich gewesen. Auch deswegen könne er heute sagen: „Ich bin stolz auf eine Bundeswehr, die sich nicht auf obrigkeitsstaatliche Traditionen beruft, sondern auf Widerstand gegen das Unrecht.“

Die konservativen und militärischen Eliten von damals hätten sich leider erst spät zum Handeln entschlossen, da sie „in einer Weise staats- und deutschlandgläubig waren, die wir uns heute nur schwer vorstellen können“. Deswegen sei es ihnen schwergefallen, früh einen kritischen Blick auf den nationalsozialistischen Staat zu entwickeln.

Sowohl Gauck als auch seine beiden Vorredner, Berlins Bürgermeister Klaus Wowereit und Kanzleramtsminister Peter Altmaier, sprachen übereinstimmend genderkorrekt von den „Widerstandskämpferinnen und Widerstandskämpfern“ und bezogen explizit Gruppen wie die Rote Kapelle in die Feier mit ein. Gauck war dies so wichtig, daß er von seinem Redemanuskript abwich und folgende Aussage voranstellte: „Ich bin der dritte, der heute darauf hinweist. Und offenkundig ist es nützlich und hilfreich, und wir brauchen das auch.“

Dann wiederholte er diese Aussage seiner Vorredner: „In der Bundesrepublik bewahren wir dem gesamten Widerstand ein ehrendes Gedenken, auch dem kommunistischen Widerstand.“ Gauck kritisierte allerdings auch den „antifaschistischen Mythos“ der DDR, die alle nichtkommunistischen Widerstandsgruppen ausgeblendet habe.

Klaus Wowereit warf in seiner Rede die Frage auf, wieviel Leid der Welt erspart geblieben wäre, wenn der 20. Juli Erfolg gehabt hätte. Er zählte drei Gruppen auf, die davon profitiert hätten: „Juden in den Lagern“, „Menschen in den besetzten Ländern“ und „die alliierten Soldaten, die ihr Leben im Kampf um die Befreiung Europas ließen“. Über die Deutschen verlor er keine Silbe.

Ganz anders Peter Altmaier. Er sagte über die Verschwörer: „Wenn wir an die Männer des 20. Juli denken, dann denken wir auch daran, daß viele von ihnen heute mit ein bißchen Glück noch leben und hier bei uns sein könnten.“

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