© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  31-32/14 / 25. Juli 2014

Eliot Higgins. Der Arbeitslose verblüfft die Welt als Waffenexperte für den Nahen Osten
Eliot allein zu Haus
Wolfgang Kaufmann

Ich hätte nicht gedacht, daß das je jemand lesen würde. Ich habe es eigentlich nur für mich gemacht.“ So kann man sich irren. Und ebenso hat sich die Welt über ihn geirrt. Als herauskam, daß hinter dem international rezipierten Blogger und Waffenexperten Brown Moses – der diesen Satz dem US-Sender CNN gesagt hat – der arbeitslose Brite Eliot Higgins aus Leicester steckt, war das Erstaunen groß. „Higgins spricht kein Arabisch, war nie im Nahen Osten, hat nicht studiert und sitzt 5.000 Kilometer weit entfernt in seinem Wohnzimmer“, zeigte sich der Spiegel perplex, und der britische Guardian wunderte sich, wie Higgins eine „der wichtigsten Stories über den syrischen Bürgerkrieg“ lancieren konnte.

Sogar mit der Journalistenlegende Seymour Hersh legte der Arbeitslose sich an. Im April hatte der US-Enthüllungsautor und Pulitzer-Preisträger die internationale Öffentlichkeit mit der Nachricht schockiert, der Giftgasangriff von Damaskus im August 2013 mit bis zu 1.700 Toten gehe nicht auf das Konto Assads, sondern der salafistischen Al-Nusra-Front, welche die Sarin-Geschosse vom türkischen Geheimdienst MIT erhalten habe. Kurz darauf demontierte ihn Brown Moses: Hersh liege falsch, denn bei der Attacke seien Volcano-Raketen russischer Bauart zum Einsatz gekommen, über welche die Rebellen im Gegensatz zur syrischen Armee nachweislich nicht verfügen. Zuvor hatte Moses bereits offengelegt, in welchem Ausmaß die Saudis mit CIA-Hilfe kroatisches Kriegsgerät nach Syrien schmuggeln.

All diese Enthüllungen ließen die Journalisten bis zur Lüftung seines Geheimnisses glauben, daß Brown Moses ein Mann vom Fach sein müsse. Heute gibt Higgins an, die Grundlagen seines Wissens mit XBox-Spielen und dem Konsum von Rambo- und Schwarzenegger-Filmen gelegt zu haben. Und täglich durchforstet er bis zu 16 Stunden an die 600 Youtube-Kanäle, auf denen die Parteien des syrischen Bürgerkriegs ihre Videos hochladen.

Higgins, der 1979 geboren wurde, ging einem normalen Bürojob im Finanz- und Verwaltungswesen nach, bis er arbeitslos wurde und plötzlich viel Zeit für sein neues Hobby hatte. Inzwischen hat er natürlich mehrere Stellenangebote, die er aber ablehnte, um weiter online sein zu können. Nun will der Blogger eine eigene Enthüllungsnetzseite Namens Bellingcat starten, für die seit 14. Juli eine große Spendensammelaktion angelaufen ist. Bisher wurden die finanziellen Engpässe in der Familienkasse durch diverse anonyme Spender überbrückt – einer sponserte Brown Moses immerhin mit 5.000 Pfund. Dennoch meint Higgins Frau, die halbtags bei der Post arbeitet, immer öfter, er solle sich endlich wieder nach einer „vernünftigen“ Arbeit umschauen. Hingegen erwägt der Blogger eher den Kauf einer bequemeren Couch.

www.brown-moses.blogspot.co.uk

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