© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  31-32/14 / 25. Juli 2014

Lesereinspruch

Herbe Enttäuschung

Zu: „Er konnte die Musik zum Atmen bringen“ von Markus Brandstetter (JF 29/14)

Leider ist Ihr Beitrag für einen passionierten Musikfreund wie mich, der Herbert von Karajan häufig selbst erlebt hat, eine herbe Enttäuschung. Zweifellos sind seine Aufnahmen die Meisterwerke schlechthin, dies gilt gerade auch für die Aufnahmen bis kurz vor seinem Tod im Jahr 1989 wie etwa die Bruckner- und die Tschaikowsky-Aufnahmen.

Auch Verdis Maskenball, im Todesjahr Karajans inszeniert und aufgeführt, ist ein Protobeispiel für jene Oper, die die Zuschauer lieben. Heute ist von solchen Inszenierungen nichts mehr übrig, da die Kulturzersetzung der letzten zwei Jahrzehnte ungehindert und staatlich gefördert um sich gegriffen hat.

Daß Karajan auch sich selbst inszeniert hat, kann vor dem Hintergrund seiner herausragenden und bis heute von niemandem bezweifelten oder gar übertroffenen Leistungen nur als ein Nebengeräusch angesehen werden.

Herbert von Karajan konnte es sich erlauben, auch sich in Szene zu setzen, weil der eigene Anspruch an sich selbst und an seine Umgebung deckungsgleich waren. Er forderte von sich, was er von anderen forderte, wobei er stets Vorbild war.

Daniel Jung, Potsdam

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