© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  30/14 / 18. Juli 2014

Konservative Seilschaften
Katholische Kirche: Rainer Maria Kardinal Woelki wechselt als Erzbischof von Berlin nach Köln / Nachfolger von Joachim Meisner
Gernot Facius

Vom Rhein an die Spree und wieder zurück. Kardinal Rainer Maria Woelki (57), seit Juli 2011 Erzbischof von Berlin, wird Nachfolger seines inzwischen emeritierten Förderers Joachim Meisner (80) in Köln. Was vor drei Jahren noch als wüste Spekulation abgetan wurde, ist Realität. Der frühere Weihbischof an Meisners Seite übernimmt am 20. September die mit 2,1 Millionen Katholiken größte und reichste deutsche Diözese – nach einer kurzen „Exkursion in die Diasporaseelsorge“ (Meisner).

Damit ist die derzeit wichtigste Personalie der Kirche in Deutschland abgehakt. Relativ zügig und ohne öffentliche Schlammschlacht, anders als in den „Kölner Wirren“ 1988/89, als Meisner, Woelkis Vorvorgänger in Berlin, von Papst Johannes Paul II. gegen Widerstände im Domkapitel auf den Stuhl des heiligen Maternus „transferiert“ wurde.

In Köln freut man sich über den Rückkehrer, in der Hauptstadt gibt man sich eher betrübt. Das Berliner Bistum ist erst 84 Jahre alt, es erwartet nach Woelki nun den zehnten Diözesanbischof. Der künftige Oberhirte von nicht einmal 400.000 Seelen übernimmt eine Großbaustelle: die von Woelki angestoßene Sanierung der St.-Hedwigs-Kathedrale und das umstrittene Projekt von Großpfarreien.

Daß der Münchner Erzbischof und Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, nach Berlin gehen werde, ist vorerst nur die Neuauflage eines Gerüchts. Es gewinnt auch nur begrenzt Plausibilität durch die Vermutung, in diesem Fall könnte Erzbischof Georg Gänswein endlich auf einen deutschen Bischofssitz „abgeschoben“ werden. Nach dem Bayernkonkordat hat der Papst bei der Besetzung des Münchner Stuhls freie Hand.

Der neue Kölner Oberhirte, 1956 als Sohn ostpreußischer Eltern in der Rhein-Metropole geboren und dort kirchlich sozialisiert, ist anders als sein geistlicher Ziehvater nie durch polarisierende Wortmeldungen aufgefallen. Dennoch wurde er 2011 von vielen Medien verächtlich zum „schwarzen Block“ gezählt: zu den Gegenspielern des „liberalen“ Flügels um Kardinal Karl Lehmann (Mainz) und den damaligen Episkopats-Vorsitzenden Robert Zollitsch (Freiburg). Dazu mag beigetragen haben, daß Woelki an der römischen Opus-Dei-Universität promoviert wurde.

Theologisch paßt zwischen Woelki und Meisner kein Blatt Papier. Der Jüngere hat es allerdings verstanden, sich „inmitten der vom antikirchlichen Erregungspotential durchdrungenen Medienlandschaft der Hauptstadt unaufgeregt und allürenfrei zu bewegen“, so die katholische Tagespost. Diese Fähigkeit dürfte ihm in der Medienmetropole Köln zugute kommen. Köln habe wieder einen Erzbischof, der Konservativsein nicht als etwas Negatives, sondern als etwas Notwendiges ansehe. Daß Woelki kurz nach seinem Amtsantritt in Berlin das Gespräch mit Schwulen und Lesben suchte, wurde vielerorts als Aufweichung der katholischen Sexualmoral gedeutet. Ein grandioser Fehlschluß: Der Kardinal hat damit nur Kommunikationsbereitschaft, den Willen, niemand auszugrenzen, demonstriert, ganz im Sinne von Papst Franziskus.

Nach übereinstimmenden Berichten stand der Name des bisherigen Berliner Erzbischofs nicht auf den Vorschlägen, die das Kölner Domkapitel, wie es das Preußenkonkordat aus dem Jahr 1929 vorsieht, nach Rom schickte. Er fand sich erst auf der Dreierliste des Papstes. Das Kirchenoberhaupt ist an die Vorschläge aus der Ortskirche nicht gebunden, deshalb ist an dem Prozedere staatskirchenrechtlich nichts auszusetzen.

Gleichwohl hat Franziskus mit seiner Ankündigung, die Ortskirchen gegen den römischen Zentralismus stärken zu wollen, zu hohe Erwartungen geweckt. Schon spricht die romkritische Gruppierung „Wir sind Kirche“ von einem „neuerlichen Skandal“, der nicht hingenommen werden dürfe. Denn auch Stephan Burger, der neue Freiburger Erzbischof, stand nicht auf der Liste des Domkapitels. Der Zorn richtet sich gegen die von Kurienkardinal Marc Ouellet geleitete Bischofskongregation, welche die Personalentscheidungen vorbereitet. Hier kommt wieder der Name Meisner ins Spiel.

Noch im Januar, so „Wir sind Kirche“, habe er dafür gesorgt, daß der ihm nahestehende Münsteraner Bischof, Felix Genn, in die Kongregation berufen worden sei. Genn gilt als Vertrauter von Ouellet. Angesichts dieser „konservativen Seilschaften“ bestehe die Gefahr, daß der Franziskus entgegengebrachte Vertrauensvorschuß sehr bald aufgebraucht sein könnte. Woelki begleiten zwar die guten Wünsche selbst des progressiven Kirchenflügels. Doch für alle, die von einer großen Veränderung träumen, könnte es, wie die Süddeutsche Zeitung schreibt, einen „ernüchternden Morgen“ geben.

Irritiert zeigt sich auch der Magdeburger Bischof Gerhard Feige. Er nennt es „kein ermutigendes Zeichen für den Osten Deutschlands“, wenn ein aus dem Rheinland kommender Hoffnungsträger schon wieder in seine Heimat zurückkehre: Offensichtlich scheine die deutsche Hauptstadt für die Kirche doch nicht so bedeutungsvoll zu sein, wie erst jüngst betont worden sei. Man sieht: Freude und Frust liegen bei dieser Personalie nahe beieinander.

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