© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  29/14 / 11. Juli 2014

Knapp daneben
Biodiversität ist kein Selbstzweck
Karl Heinzen

Das Bundesamt für Naturschutz (BfN) schlägt Alarm: Seit 2009 ist die Fläche, die in Deutschland als Grünland genutzt wird, um über sieben Prozent geschrumpft. Immer weniger Bauern können es sich leisten, daß Gräser und Kräuter auf ihren Wiesen sinnlos vor sich hin wuchern, um bloß gelegentlich gemäht oder abgeweidet zu werden. Entweder intensivieren sie die Nutzung als Futterquelle und beseitigen dabei auch allen Wildwuchs oder sie widmen die Flur gleich in Ackerland um. Dieser Trend wird, weil der Bedarf an nachwachsenden Rohstoffen zur Energieerzeugung zunimmt, nicht umzukehren sein.

Besessen von der fixen Idee, die Artenvielfalt in Flora und Fauna um jeden Preis zu erhalten, wollen sich die Naturschützer von Amts wegen damit jedoch nicht abfinden. Ohne jegliche Skrupel fordern sie, die unternehmerische Freiheit der Landwirte zu beschneiden. Der Staat müsse es ihnen untersagen, Grünland in „sensiblen Gebieten“ einem anderen Zweck zuzuführen. Hingegen solle er die Wanderschäferei fördern.

Wer bunte Schmetterlinge und Wildblumen im heimeligen Biotop für wichtiger hält, denkt provinziell.

Verglichen mit diesem Plädoyer für eine prähistorische Nomadenwirtschaft mutet der Morgenthau-Plan wie ein Industrialisierungsprogramm an. Das BfN geht von der naiven Vorstellung aus, daß es im Sinne der Natur sei, die biologische Vielfalt zu erhalten. In ihr gelten aber nicht andere Gesetze als in der menschlichen Gesellschaft: Existenzberechtigung und Zukunftsperspektiven hat nur, was sich irgendwie verwerten läßt. Ein zeitgemäßes Verständnis von Naturschutz ist bereits weit verbreitet. Die Bürger nehmen Windräder nicht mehr als Verschandelung der Landschaft wahr, und sie freuen sich, wenn auf Äckern die Solarzellen sprießen, weil sie wissen, daß dies der Preis der Energiewende ist, die unseren Planeten vor der Klimakatastrophe bewahrt. Sie zum Erfolg zu führen, heißt aber auch, jede erdenkliche Anbaufläche in ihren Dienst zu stellen. Wer bunte Schmetterlinge und Wildblumen im heimeligen Biotop für wichtiger hält, denkt provinziell. Wir müssen sie ohne Wimpernzucken opfern, um unserer globalen Verantwortung für die Natur gerecht zu werden.

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