© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  29/14 / 11. Juli 2014

„Viel relevanter als bisher angenommen“
Rebound-Effekt: Warum Fortschritte in Energieeffizienz verpuffen
Heiko Urbanzyk

Wenn neue Technologien weniger Strom, Benzin und andere Ressourcen verbrauchen, nützt das der Umwelt wie auch dem Geldbeutel von Verbrauchern und Industrie. Energiefresser wie Heizungen, Kühlschränke und Glühbirnen werden jedes Jahr effizienter. Aber der „Rebound-Effekt“ frißt diesen Fortschritt auf. Unser Ressourcenverbrauch steigt sogar. Rebound? Das ist der Bumerang-Effekt (korrekt: Zurückspring-Effekt), Einsparfortschritte durch immer neue Entwicklungen und Leistungssteigerungen zunichte zu machen. Von „unerwünschten Folgen der erwünschten Energieeffizienz“ spricht der Volkswirt und Soziologe Tilman Santarius. Er gehört zu den führenden Wissenschaftlern auf diesem Gebiet.

Die Kunst deutscher Ingenieure und Naturwissenschaftler, effizientere Maschinen zu konstruieren, lobte Thilo Sarrazin in „Deutschland schafft sich ab“: „Verbrennungsmotoren […] sind heute anders als die vor 100 Jahren und vor allem in jeder Hinsicht besser.“ Wir verbrauchen trotzdem leider nicht weniger Benzin.

Auf Fortschritt und Luxus verzichten spart am meisten

Motoren sind das Paradebeispiel für den Rebound-Effekt. Der VW-Käfer aus dem Jahr 1955 wog etwa 730 kg, hatte 30 PS und fuhr 110 km/h – und verbrauchte 7,5 Liter auf 100 Kilometer. Der VW New Beetle, Baujahr 2005, verbraucht immer noch 7,1 l/100 km – wiegt dafür aber 1.200 kg, hat 75 PS und fährt 160 km/h schnell.

Der Rebound-Effekt hat viele Gesichter: Untersuchungen belegen, daß der Kauf eines kleineren, sparsameren Autos kaum Energie spart. Die Eigentümer benutzen ihr Fahrzeug öfter und achten weniger auf spritsparendes Fahren (direkter Rebound-Effekt). Außerdem haben sie mehr Geld übrig, das für andere Konsumgüter oder Flugreisen ausgegeben wird (indirekter Rebound-Effekt).

Bereits 1865 stellte der englische Ökonom Stanley Jevons im Zusammenhang mit der Einführung der dreimal effizienteren Wattschen Dampfmaschine fest, daß diese nicht etwa einen sinkenden, sondern sogar rasant steigenden Kohleverbrauch zur Folge hatte. Trotz dieser frühen Erkenntnis wird das Problem erst seit den neunziger Jahren richtig erforscht. Im Bundestag beschäftigte sich zuletzt die Enquête-Kommission Wachstum, Wohlstand, Lebensqualität mit dem Phänomen. Sie bescheinigt dem Energiebumerang, „viel relevanter zu sein als bisher in der Umweltdebatte angenommen“.

Nach einer Studie von Tilman Santarius bleiben trotz Rebound-Effekt 50 Prozent der Energieeffizienz erhalten. Wie der Rest ausgeschöpft werden könnte, ist in Wissenschaft und Politik noch völlig unklar. Im Ergebnis läuft es darauf hinaus, auf Luxus und Fortschritt zu verzichten – und das ist paradox.

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