© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  29/14 / 11. Juli 2014

Frisch gepresst

EU-Grundgesetz. Wie der Klappentext verrät, wurde der vor dem Ruhestand stehende Leiter des Ressorts Innenpolitik der Süddeutschen Zeitung, Heribert Prantl, mit den üblichen Preisen der Kategorie „Kurt Tucholsky“ geschmückt. Ein biographisches Detail, das keinen Zweifel daran läßt, was den Leser erwartet. Da sind zum einen Prantls altbekannte SZ-Tiraden gegen den „alltäglichen Rassismus“, zum anderen seine Glorifizierung des EU-Europas, dessen Straßburger Parlament er zum eigentlichen „Weltwunder“ der Neuzeit verklärt. Dem fehle leider noch eine probate Verfassung. Aber da kann Ex-Staatsanwalt Prantl abhelfen: Das Grundgesetz sei nur neu zuzuschneiden, die repräsentative zur plebiszitären Demokratie auszubauen. Überraschender in diesem Destillat seiner SZ-Leitartikel sind da schon Prantls deutlich antiamerikanisch gefärbten Attacken auf den „demokratie-feindlichen“ Überwachungsfuror der US-Geheimdienste sowie seine antikapitalistischen Bekenntnisse zum Sozialstaat und seine herbe Kritik am ökonomistisch reduzierten Brüsseler Menschenbild. Hier bezieht Prantl lupenrein konservative Positionen, die er allerdings nicht mehr im National-, sondern allein im europäischen Superstaat verwirklicht sehen möchte. (ob)

Heribert Prantl: Glanz und Elend der Grundrechte. Zwölf Sterne für das Grundgesetz. Droemer Verlag, München 2014, gebunden, 189 Seiten, 18 Euro

 

Federkrieger. „Hineingeschlittert“, dieser etwas hilflose Begriff wurde oft bemüht, um die politische Geschichte zu deuten, die 1914 in die „Jahrhundertkatastrophe“ führte. Den Geist, der diese Situation umwehte, fängt jedoch besser das bunte Mosaik verschiedener Wortmeldungen aus diesen Jahren ein. Das wußte schon Walter Kempowski, als er die Floskel über den „Zeitzeugen als Todfeind des Historikers“ in den Wind schlug und sein „Echolot“-Projekt über den Zweiten Weltkrieg initiierte. Der Braunschweiger Geschichtsdidaktiker Matthias Steinbach nimmt diesen Faden auf und legt sein „literarisches Echolot“ vor, das 77 deutschsprachige Literaten von Hugo Ball über Hermann Löns und Joseph Roth bis zu Stefan Zweig zu Wort kommen läßt. Anhand ihrer literarischen Zeugnisse offenbart sich ein polyphones Konzert der Stimmungen – von der Mobilmachung, dem „Augusterlebnis“ bis zur späteren „Erstarrung und Gewöhnung“. (bä)

Matthias Steinbach (Hrsg.): Mobilmachung 1914. Ein literarisches Echolot. Reclam Verlag, Stuttgart 2014, broschiert, 287 Seiten, 12,95 Euro

 

Historisches Kalenderblatt

11. Juli 1939: US-Präsident Franklin D. Roosevelt scheitert mit der Absicht, das Neutralitätsgesetz von 1937 zu novellieren. Der Außenpolitische Ausschuß des US-Kongresses hält am isolationistischen Verbot von Waffenlieferungen an internationale Kriegsparteien fest.

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