© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  29/14 / 11. Juli 2014

Die Geburt der US-Identität
Als der Amerikanismus in die Welt trat
Klaus Hornung

Amerikanismus ist ein kultur- und sozialwissenschaftlicher Begriff zur Klärung des Selbstverständnisses der Vereinigten Staaten von Amerika. In seiner Abwandlung als Amerikanisierung wird er auch verwendet zur Beschreibung der Versuche der USA, ihren ökonomischen, gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Einfluß auf andere Weltregionen auszudehnen, früher etwa auf Lateinamerika, heute vor allem auf Europa.

Der vorliegende Band 49 der „Transatlantischen Historischen Studien“ des Deutschen Historischen Instituts in Washington befaßt sich mit der Entwicklung eines amerikanischen Nationalbewußtseins im frühen 20. Jahrhundert. Als Quellen nutzt die Arbeit insbesondere die seit etwa 1880 hervortretenden „Qualitätsmagazine“ wie Harper’s Magazin, Atlantic Monthly oder The Nation, die ihre Aufgabe nicht zuletzt in der Entwicklung eines amerikanischen Selbstbewußtseins in Abgrenzung von Europa und zumal von der einstigen britischen Kolonialmacht erblickten. So geraten die vielfältigen Probleme der Einwanderung und die Diskussionen um die Rassenfragen bis zur Eugenik in den Fokus, wie sie auch gleichzeitig in Europa diskutiert wurden.

An der Jahrhundertwende tritt dann der erste imperiale Ausgriff der USA durch den Angriff auf Spanien 1898/1901 in den Vordergrund mit einer politischen Identitätsprägung, wie sie vor allem Präsident Theodore Roosevelt propagierte. Dieser knüpfte an den bereits in Blüte stehenden „Frontier-Amerikanismus“ an und vertiefte ihn zu einem Männlichkeitsidol, das zum „kulturellen Arm eines hegemonialen Amerikanismus“ wurde und als solches bis heute wirksam ist. Roosevelt erklärte die Siedler-Pioniere zu den Vorbildern der „true national greatness“ und damit zum Leitbild für die beginnende expansionistische „Post-frontier-Zeit“.

Daran konnte dann wenig später Präsident Wilson anknüpfen, als er die USA mit der zugkräftig erscheinenden Parole „to make the world safe for democracy“ in den Ersten Weltkrieg führte und damit die imperialistische und hegemonistische Ära eröffnete, deren Ende sich in unserer Gegenwart deutlich abzeichnet und in den Mittelpunkt auch der weltweiten politischen und wissenschaftlichen Debatte tritt.

Adelheid von Saldern: Amerikanismus. Kulturelle Abgrenzung von Europa und US-Nationalismus im frühen 20. Jahrhundert. Franz Steiner Verlag, Stuttgart 2013, gebunden, 428 Seiten, 44 Euro

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