© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  29/14 / 11. Juli 2014

Wie anonym sind wir noch im Netz?
BGH-Urteil: Das Opfer einer Schmutzkampagne hat nicht automatisch Anspruch auf die Kontaktdaten des Verleumders
Christian Schreiber

Persönlichkeitsrechte gegen Datenschutz: In diesem Spannungsfeld hat der Bundesgerichtshof (BGH) ein wichtiges Urteil getroffen. Er gab Sanego, einem Online-Bewertungsportal für Mediziner, recht, das einem Arzt nicht die Daten eines anonymen Nutzers preisgeben wollte. Der Nutzer hatte geschrieben, in der Arztpraxis seien die Wartezeiten unerträglich lang. Zudem lagere das Personal Patientenakten in Wäschekörben.

Die Behauptungen stellten sich als unwahr heraus, der Arzt veranlaßte mehrfach die Löschung der Einträge. Doch als der Nutzer sie erneut ins Netz stellte, erfolgte die Klage auf Herausgabe der persönlichen Daten. Der BGH entschied nun, daß die Anonymität der Nutzer nach der Vorschrift des Telemediengesetzes nur in wenigen Ausnahmen aufgehoben werden dürfe: „Der Schutz der Persönlichkeitsrechte ist nicht genannt.“

Betroffenen bleibt so nur die Möglichkeit, eine Strafanzeige einzureichen, um an die Daten zu gelangen. Zivilrechtliche Schritte – wie etwa das Einklagen von Schadensersatzansprüchen – bleiben davon ausgenommen.

Unter Juristen und Datenschützern tobt nun ein Glaubenskrieg. Einerseits wird darauf verwiesen, daß Anonymität im Netz ein hohes Gut sei und sich Nutzer von Internetportalen sicher sein müßten, daß die Daten vertraulich blieben. Ansonsten könnten kritische Beiträge wie bei Hotelbewertungen nicht mehr ohne Angst auf Regreßansprüche eingestellt werden. Andererseits wird argumentiert, daß das Urteil keinen Schutz für Mobbing-Opfer bieten würde. Solange keine Straftat gegeben sei, bleibe ihnen nur die Möglichkeit, Inhalte einzeln löschen zu lassen.

Der BGH hat im übrigen bekräftigt, daß ein Rechtsanspruch auf Löschung falscher Einträge bestehe, und die Anbieter zur Sorgfalt ermahnt. Seriöse Plattformen tendieren ohnehin mehr und mehr dazu, Kommentare und Bewertungen erst nach Prüfung freizuschalten. Dies habe vor allem den Vorteil, daß die Qualität der Beiträge generell höher sei.

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