© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  29/14 / 11. Juli 2014

Der Zauber von Tausendundeiner Nacht
Ausstellung in Dresdner Albertinum: Wie sich die für verschiedene Stile stehenden Maler Max Slevogt und Paul Klee von Eindrücken ihrer Reisen nach Ägypten berauschen ließen
Paul Leonhard

Zwei Kamelreiter in einer endlosen Wüste, in dunkle Gewänder gehüllte geheimnisvolle Frauen, ein Boot rudernde Männer mit Turbanen, eine Landschaft mit kleinen Segelbooten und sandfarbenen Ruinen. Es sind Bilder, wie man sie sich bei der Lektüre der Orientbeschreibungen Karl Mays erträumt, Ausdruck der Sehnsüchte deutscher Künstler nach dem Zauber von Tausendundeiner Nacht. Max Slevogt (1868–1932) hat sie Anfang 1914 auf seiner Reise von Kairo bis nach Assuan geschaffen. In einem wahren Kreativrausch verarbeitete er seine Eindrücke von der fremden Kultur. In nur vierzig Tagen entstanden neben Zeichnungen und Aquarellen auch 23 Ölbilder, die heute als ein Höhepunkt der Malerei des deutschen Impressionismus gelten.

Gegensätzlichkeit künstlerischer Ansätze

Im selben Jahr als Slevogt Ägypten entdeckte, war Paul Klee (1879–1940) zusammen mit August Macke und Louis Moilliet in Tunesien unterwegs. Seine eigene Reise in das Land der Pyramiden trat er erst fünfzehn Jahre später an, zur Jahreswende 1928/29. Wie sein Malerkollege besuchte er Alexandria, Kairo, Luxor und Assuan, ließ sich von der Fülle und Fremdheit des Erlebten überwältigen, empfing aber auch wichtige Impulse, die „zu einer entscheidenden Zäsur in seinem späten Œuvre führten“, wie Andreas Dehmer, wissenschaftlicher Mitarbeiter der Dresdner Galerie Neue Meister, betont.

Slevogt und Klee sind zwei Künstler, die unterschiedlichen Malergenerationen angehören und für verschiedene Stile stehen. In der Gegensätzlichkeit der künstlerischen Ansätze des Impressionisten Slevogt und des Pioniers der Avantgarde und Bauhauskünstlers Klee „spiegeln sich grundlegende Aspekte der Orientrezeption sowie der Malerei des frühen 20. Jahrhunderts zwischen Realismus und Abstraktion“, findet Hartwig Fischer, Generaldirektor der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden. Während sich Slevogt „vor allem auf die atmosphärischen Farbwirkungen unter dem Einfluß des hellen Sonnenlichts“ konzentriert habe und „Reisebilder von herausragender bildnerischer Einheit, Dichte und Authentizität“ schuf, seien für Klee „neben der mythologischen Ikonographie der altägyptischen Religion die Proportions- und Konstruktionsgesetze von Tempelanlagen und Grabstätten“ von besonderem Interesse gewesen.

Im Rahmen eines Forschungsprojektes wurden in Dresden die in Zusammenhang mit den Ägyptenreisen entstandenen Werke Slevogts und Klees sowie Tagebücher, Briefe und Fotografien aufgearbeitet. „Klees facettenreiche Transformationen der Reiseerlebnisse in über hundert Arbeiten stehen dabei im Dialog mit beziehungsweise im Kontrast zu den unmittelbar auf Leinwand, Holz und Pappe gebrachten Wahrnehmungen des Impressionisten Slevogt“, schreibt Fischer zu seinem Projekt. Ziel sei es, einen Beitrag sowohl zur umfassenden Dokumentation beider Künstlerreisen als auch zur Erforschung der Ägyptenrezeption in der deutschen Malerei in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts zu leisten und dabei insbesondere den Aspekt der Veränderung der künstlerischen Sehgewohnheiten zu berücksichtigen.

Das Ergebnis ist jetzt in einer opulenten, den einzelnen Gemälden viel Raum bietenden Sonderausstellung im Dresdner Albertinum unter dem Titel „Nach Ägypten! Die Reisen von Max Slevogt und Paul Klee“ zu sehen. Sie führt erstmalig die Werke der beiden Künstler zusammen beziehungsweise stellt sie einander gegenüber.

Ausgewählte Beispiele altägyptischer Kunst

Neben der einzigartigen Ägyptenserie Slevogts werden etwa 20 weitere während der Reise entstandene Aquarelle, Ölbilder und Zeichnungen gezeigt. Von Klee sind 81 Werke aus allen Schaffensphasen seines Lebens zu sehen. Sie veranschaulichen die zunehmende Intensität seiner Beschäftigung mit der Thematik des Orients und Ägyptens bis hin zur Adaption der altägyptischen Hieroglyphenschrift.

Eine kleine Gruppe von Zeichnungen deutet darauf hin, daß Klee doch schon vor Ort seine Eindrücke in Skizzen festgehalten und nicht alles erst später im Atelier verarbeitet hat. Unter den Exponaten finden sich auch ausgewählte Beispiele altägyptischer Kunst, die für Klee zeitlebens einen wichtigen Ausgangspunkt darstellte und nun in einen spannungsvollen Dialog mit seinen Arbeiten tritt.

Während die Staatlichen Kunstsammlungen Dresden bei Klee auf Leihgaben renommierter Museen und privater Sammler aus dem In- und Ausland zurückgreifen mußten, verfügen sie über einen hervorragenden Bestand an Werken von Max Slevogt. Den künstlerischen Wert seiner Bilder erkannten die Dresdner Kunstsachverständigen schon kurz nach der Rückkehr Slevogts aus Ägypten. 1915 kauften sie 21 der Ölgemälde für die damals noch Königliche Gemäldegalerie. Der Maler wiederum finanzierte mit den Erlösen den Rückkauf des Familienlandgutes in Neukastel.

Heute besitzt Dresden noch 17 dieser Werke. Von dreien trennte man sich bereits 1924, indem man sie gegen Slevogts „Bildnis der Tänzerin Pawlowa“ eintauschte – übrigens sehr zum Ärger des Malers. Weitere drei galten seit Ende des Zweiten Weltkrieges als verschollen. Von diesen kehrten aber zwei 1967 und 1988 zurück. Und im Jahr 2001 erhielt die Gemäldegalerie Neue Meister auch das 40 mal 42 Zentimeter messende Ölbild „Vorlesung in einer Moschee zu Kairo I“ zurück. In der aktuellen Ausstellung sind zusätzlich die Bilder „Libysche Wüste“ und „Bazar in Assuan I“ als Leihgaben des Landesmuseums Mainz beziehungsweise des Hessischen Landesmuseums Darmstadt zu sehen.

Die Ausstellung „Nach Ägypten! Die Reisen von Max Slevogt und Paul Klee “ ist bis zum 10. August im Dresdner Albertinum, Georg-Treu-Platz 2, täglich außer montags von 10 bis 18 Uhr zu sehen. Die zwei begleitenden Kataloge kosten im Museum zusammen 29,90 Euro. Telefon: 0351 / 49 14 20 00

Anschließend wird sie von Mitte September bis Anfang Januar 2015 in Düsseldorf gezeigt.

www.skd.museum

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