© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  29/14 / 11. Juli 2014

Dorn im Auge
Christian Dorn

Deutschland ist draußen! Nach dem Frankreich-Spiel begegnen mir auf dem Bürgersteig fast alle in irgendeiner Weise schwarzrotgolden geschmückt. Es scheint, als wären sie alle beseelt von einer inneren Beglückung; freundliche fremde Gesichter, die einander halbbewußt grüßen. Es ist ein eigentümliches Gefühl von nationaler Gemeinschaft, das hier – gewissermaßen beiläufig – zu spüren ist. Letztlich aber ist es doch: flüchtig.

Auf dem Gehweg eine junge Frau mit zwei Mädchen, kaum älter als vier oder fünf Jahre, und einer ausgewachsenen Dalmaltiner-Dame namens „Lola“, deren Leine – so die Erziehungsberechtigte mehrfach und nachdrücklich fordernd – doch gefälligst von einem der kleinen Mädchen übernommen werden solle. Die aber, mindestens ein oder zwei Köpfe kleiner, fürchten sich davor. Nachher heißt es wieder: Lola rennt. Schließlich gehorcht Lola und setzt sich. Es ist Zeit für die Warteschlange vor der Eisdiele.

Auf dem Bürgersteig jeden Tag der Greis aus dem katholischen Altenheim um die Ecke, der Vorbeilaufenden ein „Gott segne Sie!“ zuruft und vor sich die Gehhilfe mit dem Einkaufskorb herschiebt, darin das handgemalte Schild mit der Aufschrift: „Jesus vergibt deine Schuld!“ – und ich denke jedesmal: An wen?

Überall Mädchen, die ein „Selfie“ machen – denke an den Beatles-Song „Taxman“, dessen Titel einfach durch „Selfie“ zu ersetzen wäre.

Je öfter ich die neue Melodie der „Tagesschau“ höre, glaube ich den Trailer aus einer Produktwerbung zu hören, wahrscheinlich für ein Gehirnwaschmittel. Anschließend sehe ich den rund wie einen Pfannkuchen ins Bild tretenden SPD-Chef Sigmar Gabriel, der sich mit den anderen Sozialisten Europas auf mehr Wachstum verständigt hat – und sehe, wie sich sein Sacko spannt, das jeden Augenblick platzen müßte.

Eine Trödel-Händlerin berichtet mir vom veränderten „Basar“. Immer „wenn so’n Kopftuch kommt“, sei die Ansprache herablassend, fordernd, respektlos – so daß sie automatisch im Preis höher gehe, auf daß die Kulturbereicherer verschwinden. Erfahre von einer zurückliegenden Episode des Sohnes an der Sportschule in Hohenschönhausen: Als der Sohn sagte, er sei stolz, Deutscher zu sein, zitierte die mit einem Araber verheiratete Englischlehrerin die Mutter in die Schule. Doch die zeigte sich selbstbewußt: Sie sei im Gegenteil stolz auf ihren Sohn, weil dieser den Mut habe, diese Überzeugung noch öffentlich zu äußern.

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