© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  29/14 / 11. Juli 2014

Waffenschlußverkauf
Wehrtechnik: Panzerschmiede Krauss-Maffei Wegmann plant die Fusion mit französischem Staatskonzern Nexter
Hans Brandlberger

Das Vorbild sei Airbus, kommentierte Jean-Yves Le Drian in einem Interview mit der Finanzzeitung Les Échos die Fusionspläne der Rüstungskonzerne Krauss-Maffei Wegmann (KMW) und Nexter. Wahrscheinlich wollte der französische Verteidigungsminister damit bloß die heimische Öffentlichkeit beruhigen. In deutschen Ohren klingt es eher wie eine Drohung.

Als die Airbus Group im Jahr 2000 unter dem damaligen Namen EADS aus der Taufe gehoben wurde, hieß es ebenfalls, man wolle einen schlagkräftigen europäischen Konzern schmieden, in dem die beteiligten Partnernationen nicht zu kurz kämen. Tatsächlich werden die Fäden heute in Toulouse im Sinne französischer Industriepolitik gezogen. Droht „Kant“ – das Akronym steht für „KMW and Nexter together“ – nun ein ähnliches Schicksal?

Auf dem Papier handelt es sich um einen Zusammenschluß unter Gleichen. Beide Unternehmen erzielten im vergangenen Jahr einen Umsatz von etwa 800 Millionen Euro und zählen damit in der globalen Rüstungsbranche zu den Leichtgewichten. Während Nexter ein bescheidenes Wachstum vorweisen konnte, befand sich KMW weiter im Sturzflug. Seit 2008 haben sich die Umsätze nahezu halbiert. Die Auftragsbücher scheinen in München zwar etwas besser als in Versailles gefüllt zu sein. Da KMW mit Informationen geizt, läßt sich aber nicht ausschließen, daß dazu strittige Exportgeschäfte zählen, die noch am politischen Veto scheitern können.

Politische Weisung statt wirtschaftliches Kalkül

Im Nebel liegt, ob in das Gemeinschaftsunternehmen mit „Nexter Systems“ lediglich jener Unternehmensteil eingebracht werden soll, in dem die Landsysteme und hier insbesondere die gepanzerten Fahrzeuge angesiedelt sind. Nexter trägt einen ganzen Bauchladen von Aktivitäten vor sich her, die zu kleinteilig und zu sehr auf die französischen Streitkräfte ausgerichtet sind, als daß sie unter dem Dach eines auf Heerestechnologie spezialisierten internationalen Unternehmens wirtschaftlich fortzuführen wären.

Es stellt sich die Frage, wie Nexter und KMW in ihrem Kerngeschäft zu einer schlagkräftigen Einheit zusammenfinden können. Die Produktpaletten der Partner überschneiden sich mehr, als daß sie sich ergänzen würden. Beide Unternehmen haben, vom Kampfpanzer über geschützte Führungs-, Funktions- und Mannschaftstransportfahrzeuge bis hin zum Artilleriesystem, Konkurrenzprodukte im Angebot. Diese Produkte sind ausgereift und haben ihre Kunden gefunden. Nennenswerte Neugeschäfte sind in Europa nicht zu erwarten. Kostenvorteile ließen sich allenfalls durch Standardisierung gewinnen.

Was treibt ein deutsches Rüstungsunternehmen in Familienbesitz dazu, sich mit einem französischen Staatsbetrieb einzulassen, in dem im Zweifelsfall politische Weisungen und nicht betriebswirtschaftliches Kalkül den Ausschlag geben? Als vor einem Jahr Gerüchte über Gespräche zwischen KMW und Nexter aufkamen, spekulierten manche, daß die Fusionspläne lediglich den Preis für eine andere Allianz hochtreiben sollten. Rheinmetall und KMW hätten sich als „Traumpartner“ zu einem international erfolgreichen deutschen Systemhaus zusammenschließen können.

Heute, eine Bundestagswahl später und unter einem Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel, der in einem schwarz-roten Kabinett rot-grüne Ressortpolitik betreibt, würde dieser Weg jedoch in einer Sackgasse enden. Die deutsche Rüstungsindustrie ist nur noch zu etwa 30 Prozent durch den Kunden Bundeswehr ausgelastet – Tendenz fallend. Überleben kann nur, wer im Export erfolgreich ist und hier insbesondere, da alle EU- und Nato-Partner ihre Beschaffungsausgaben zurückfahren, auf außereuropäischen Märkten. Da es das erklärte Ziel Gabriels ist, Ausfuhrgenehmigungen restriktiver zu erteilen, wird die Liste der Staaten, die in Betracht kommen, kleiner und kleiner. Nationale „Champions“ in der Wehrtechnik schaffen zu wollen, ist nahezu aussichtslos; man kann gerade noch rentable Aktivitäten bündeln, bis das Licht ausgeht.

Der neue Gegenwind aus Berlin torpediert aber nicht nur direkte Rüstungsexporte in vermeintliche Problemstaaten. Er erschwert auch die Lieferung von Komponenten oder Subsystemen an Partnerunternehmen in verbündeten Nationen mit weniger harschen Exportbeschränkungen. Französische, britische und amerikanische Konzerne machen bereits einen Bogen um deutsche Lieferanten, weil sie befürchten müssen, daß Ausfuhrgenehmigungen nicht erteilt werden, wenn das Endprodukt in unliebsame Drittstaaten geht.

Perspektiven der deutschen Wehrtechnik düster

Auch die Allianz von KMW und Nexter steht unter diesem Damoklesschwert. Der französische Staat mag noch so großzügig Ausfuhren genehmigen und fördern. Solange Wertschöpfung aus Deutschland einfließt, spricht Berlin das letzte Wort. Ihr Ziel kann die Fusion daher nur erreichen, wenn Know-how, Entwicklung und Produktion in Frankreich gebündelt werden. Kommt sie zustande, sind die Perspektiven für die Arbeitsplätze in Deutschland düster, und das Engagement der KMW-Eigner könnte sich langfristig auf das eines Finanzinvestors reduzieren.

Dies läge im Trend. Die Absicht, den wehrtechnischen Standort Deutschland aufzugeben, haben auch andere Unternehmen zu erkennen gegeben. Sigmar Gabriel dürfte dies als Erleichterung, nicht als Drohung auffassen.

Foto: Stählerne Wertarbeit – vorerst noch aus Deutschland: Der Leopard 2 A6 kann mit seiner Glattrohrkanone auf sechs Kilometer zielgenau feuern

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