© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  29/14 / 11. Juli 2014

Die Unbeugsame tritt ab
Bund der Vertriebenen: Der Rückzug von Erika Steinbach von der Verbandsspitze nach 16 Jahren ist eine Zäsur
Gernot Facius

Auf diese Nachricht haben ihre politischen Gegner seit langem gewartet: Die Präsidentin des Bundes der Vertriebenen (BdV), Erika Steinbach, verzichtet im November auf eine erneute Kandidatur. 16 Jahre in diesem Amt waren, so die CDU-Bundestagsabgeordnete aus Frankfurt am Main, eine „wunderbare Herausforderung und lohnende Aufgabe“. In dieser Zeit seien „wichtige Weichen für unseren Verband und für Deutschland“ gestellt worden.

Dieser Einschätzung ist kaum zu widersprechen. Die große Frage ist freilich, ob unbedingt alle Weichenstellungen den Interessen der von Steinbach repräsentierten Heimatvertriebenen nahegekommen sind. Richtig ist: Die BdV-Präsidentin hat, noch zu Zeiten der rot-grünen Bundesregierung und gegen einige Widerstände, mit der Gründung der Stiftung „Zentrum gegen Vertreibung“ die Initialzündung für eine Gedenk- und Dokumentationsstätte zu Flucht und Vertreibung im Berliner Deutschlandhaus gegeben. Sie hat wie eine Löwin für das Projekt gekämpft. Daß es immer mehr „europäisiert“, sprich: politisch-korrekt verwässert wird, kann man ihr nicht anlasten, denn nach heftigen Auseinandersetzungen, auch innerhalb der früheren CDU/CSU-FDP-Koalition, war der Ideengeberin Steinbach sogar ein Platz im Stiftungsrat verwehrt worden. Sie wurde regelrecht weggebissen. Ein Affront sondergleichen. Bis hinein in ihre eigene Fraktion reichten die Animositäten gegen das Projekt. Der Weg zur jetzigen Bundesstiftung „Flucht, Vertreibung, Versöhnung“ war „eine Art Extrembergsteigen, und der Weg war nicht ohne Verwerfungen und Steinschlag“ (Erika Steinbach).

Viele Politiker hätten es lieber gesehen, das Schicksal der Ost-, Südosteuropa- und Sudetendeutschen aus dem Diskurs mit den östlichen Nachbarn herauszuhalten. Es sollte möglichst der Mantel des Schweigens über das Problem gebreitet werden, nach dem Muster der Deutsch-Tschechischen Erklärung von 1997, wonach die bilateralen Beziehungen nicht mit aus der Vergangenheit herrührenden politischen und rechtlichen Fragen belastet werden dürften.

Deshalb mutet es zumindest seltsam an, wenn Steinbachs Parteifreund Klaus Brähmig, Vorsitzender der CDU/CSU-Gruppe der Vertriebenen, Aussiedler und deutschen Minderheiten, tapfer erklärt, der BdV-Präsidentin sei es gelungen, die Heimatvertriebenen wieder fest in der Mitte der deutschen Gesellschaft zu verankern. Gegen eine solche Verankerung spricht schon allein das unwürdige politische Gezerre um einen nationalen Gedenktag für die deutschen Vertriebenen, er nimmt bislang nur in Bayern, Hessen und Sachsen Gestalt an.

Die scheidende Verbandspräsidentin hat in den vergangenen 16 Jahren das Bild von Deutschlands größter Vertriebenenorganisation „maßgeblich geprägt und verändert“ (Brähmig). In die Rubrik „Veränderungen“ gehört, daß der BdV in der Ära Steinbach die offene Eigentumsfrage so gut wie nicht mehr thematisiert hat. Es war sogar ein deutliches Abrücken von der alten Forderung nach Entschädigung erkennbar. Diese Lücke suchte die von einigen BdV- und Landsmannschaftsvertretern gegründete Preußische Treuhand zu füllen, gegen die sich Steinbach vehement zur Wehr setzte. Übrig blieb die vage Forderung nach einer „symbolischen Heilung“ des Vertreibungsunrechts.

Aber auch sie spielte, je mehr Zeit ins Land ging, eine nachgeordnete Rolle. Es dominierte das – eher unpolitische – Erinnern an die deutsche Kultur in den ehemaligen Vertreibungsgebieten. Die Steinbach-Gegner, besonders die in Polen, hat das allerdings nicht beeindruckt, sie hielten an ihrem Feindbild von der „blonden Bestie“ fest. Steinbachs bisheriger Stellvertreter, der CSU-Bundestagsabgeordnete Bernd Fabritius (siehe Portrait Seite 3), soll nach dem Willen des BdV-Präsidiums im Herbst die Nachfolge von Erika Steinbach antreten. Der 49 Jahre alte aus Agnetheln in Siebenbürgen stammende Jurist, der seit 2007 Bundesvorsitzender des Verbandes der Siebenbürger Sachsen und Präsident der Föderation der Siebenbürger Sachsen ist, wird vor einer ähnlichen Aufgabe stehen wie die amtierende Präsidentin. Er muß mit Takt, aber Entschlossenheit verhindern, daß die Heimatvertriebenen aus Gründen einer vermeintlichen politischen Opportunität an den Rand der Gesellschaft gedrängt werden. Alles andere käme einer neuerlichen Vertreibung gleich.

Kommentar Seite 2

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