© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  28/14 / 04. Juli 2014

Der Trabant, den alle wollen
Kampf um die Filetstücke: Der globale Wettlauf um Einfluß und Ressourcen könnte sich auf den Mond verlagern
Joachim Feyerabend

Der amerikanische Milliardär und Eigentümer von Bigelow Aerospace, Robert Bigelow, bringt es auf den Punkt: Der internationale Weltraumvertrag von 1963 und der 1979 ergänzende Mondvertrag seien angesichts der neuen, rasanten Entwicklungen in der Raumfahrt überholt. Die Frage möglicher Besitzrechte müsse dringend neu geregelt werden. „Wenn es dort nicht Recht und Ordnung gibt, herrscht Chaos.“ Denn die Zahl der Staaten, die den Erdtrabanten als Basis anpeilen, steigt. Es sind nicht mehr Amerika und Rußland allein, inzwischen rücken auch das zielstrebige China, Japan und Indien als Weltraumnationen in den Fokus.

Und dahinter, so Bigelow, stehe nicht nationaler Ehrgeiz allein, sondern vielmehr ökonomisches Kalkül: die Ausbeutung von auf der Erde immer knapper werdenden Rohstoffen. Er plädiert deshalb für ein juristisches System privater Eigentumsrechte. Es geht letztlich um ein Milliarden-Dollar-Geschäft. Eine erste Landung chinesischer Raumfahrer, sogenannter Taikonauten, auf dem Mond soll nach Aussage von Experten zwischen etwa 2025 und 2030 möglich sein. Bigelow kommentiert solche Meldungen ganz pragmatisch: „Sie gehen nicht dahin wegen der Fußabdrücke und Flaggen.“

Der Weltraum wird zum Rechtsgebiet

Nach seiner Meinung könnten dort in ferner Zukunft Erze oder Helium-3 für die noch fernen praxistauglichen Kernfusionsreaktoren abgebaut werden, zumindest wenn sich die Kosten der Raumfahrt deutlich senken ließen. Der Unternehmer möchte, daß die USA vor China solche Projekte angehen. Er hofft, der Nasa helfen zu können, noch vor den Chinesen eine Mondbasis zu errichten. Die bisherigen Abkommen lehnen sich an das Vorbild des Antarktisvertrages an. Der Mond sollte keinem gehören, die Okkupation durch eine Macht ausgeschlossen werden und eine Ausbeutung nur friedlichen Zwecken dienen. Doch, so fragen sich international arbeitende Juristen inzwischen, wenn sich verschiedene Interessenten um ein Rohstofflager streiten, die geplanten Mondbasen untereinander um den günstigsten Standort ringen, wer regelt dann den Streit? Gibt es in der Zukunft gar kriegerische Auseinandersetzungen um die neuen Schätze?

Angesichts der ehrgeizigen Weltraumpläne, auch den Mars zu besiedeln, Touristen durch den erdnahen Raum zu transportieren und sogar Asteroiden auszubeuten, stellen sich diese Fragen immer drängender. Längst hat sich vor diesem Hintergrund eine neue juristische Spezialdisziplin etabliert, das Weltraumrecht. An mehreren Hochschulen der USA, wie an der Universität von Mississippi, wird Air and Space Law bereits als Lehrfach angeboten. Europa baut das Zentrum für Weltraumrecht (ECSL) in Paris auf.

Trotzdem haben bislang erst 15 Staaten den Mondvertrag ratifiziert, der den Erdtrabanten vor einer wirtschaftlichen und militärischen Ausbeutung im Sinne nationaler Interessen schützen will. Darunter zumeist technologische „Zwergstaaten“ wie der Libanon, Marokko, Peru und die Philippinen. Die USA als „Mondbezwinger“ sehen sich hingegen in ihrer Interessenlage massiv beschränkt und polemisierten heftig gegen das 1979 von der UN vorgelegte Dokument. US-amerikanische Lobbyisten bearbeiten seit langem den Weltraumausschuß der Vereinten Nationen, damit auf dem Mond auch private Besitzansprüche zugelassen werden – eine wichtige Voraussetzung für das Investment privaten Kapitals.

Streitpunkt ist der rechtliche Status zwischen Nutzungsrechten und Besitz. Nach dem bisher geltenden Recht steht einer Nutzung nichts entgegen, wer zuerst kommt, schürft zuerst. Diese Pionierphase allerdings dürfte schon bald an ihre Grenzen kommen. Das Interesse am Mond hat teils fast groteske Züge angenommen. So verhökern private Unternehmen wie Celestial Garden in Florida und der US-Amerikaner Dennis Hope nach einer Nasa-Mondkarte Grundstücke auf dem Trabanten. Selbst Jimmy Carter und Tom Cruise erwarben Parzellen.

Geschenkidee ohne wirksamen Kaufvertrag

Hope ließ sich bereits 1980 beim Grundbuchamt San Francisco als Besitzer sämtlicher Oberflächen in unserem Sonnensystem außerhalb der Erde eintragen. Seitdem können bei ihm Parzellen auf dem Mond und dem Mars erworben werden. Bislang hat er mehr als 120 Millionen Hektar Mondland an über fünf Millionen Menschen aus 176 Ländern verkauft – allerdings ohne eine gesicherte Rechtslage. „Das ist vielleicht eine nette Geschenkidee, Besitzer einer Mondparzelle wird dadurch aber niemand“, kommentierte Stephan Hobe das Vorgehen Hopes im Focus. Die Himmelskörper gehörten wie die Hohe See und die Antarktis nach Artikel I des Weltraumvertrages von 1967 im Prinzip allen und keinem, sagt der Völkerrechtler, der das Institut für Luft- und Weltraumrecht der Universität Köln leitet.

Die Nasa schlägt überdies vor, die Landeplätze der Apollo-Missionen zum nationalen Kulturreservat zu erheben, um die Fußabdrücke der Astronauten, die zurückgelassene Flagge und das Mondauto zu schützen. Der Mondvertrag deckt auch einen solchen einseitigen Rechtsakt nicht. Die Idee klingt verrückt, aber Unterstützer wie Google-Gründer Larry Page und Hollywood-Legende James Cameron glauben offenbar daran: an die Ausbeutung von rohstoffreichen Asteroiden mittels Robotern. Auch hier ungeklärte Rechtsverhältnisse und ein in der Zukunft drohender Wettlauf um die Ressourcen im All.

Binnen zehn Jahren will das US-amerikanische Asterioden-Bergbau-Unternehmen Planetary Resources soweit sein. Planetary Resources hat es vor allem auf seltene Metalle wie Platin abgesehen. Ein Asteroid könne mehr Platin beinhalten, als jemals auf der Erde gefördert worden sei, sagte Unternehmensgründer Peter Diamandis. Der Luftfahrtingenieur und sein Kompagnon sprechen von einem Multimilliarden-Dollar-Geschäft.

Eine neue Landkarte des Mondes weist auf große Vorkommen an Titaneisen hin, aus dem wertvolles Titan gewonnen werden kann. Das auch Ilmenit genannte Mineral sei auf dem Mond zudem zehnmal reicher als das auf der Erde, erläuterte Mark Robinson von der Arizona State University bei einer Tagung im westfranzösischen Nantes. Die Entdeckung geht seinen Angaben zufolge auf die 2009 von der US-Raumfahrtbehörde Nasa ins All gebrachte US-Mondsonde LRO zurück. Eine Kamera auf der Sonde hatte Aufnahmen von der Mondoberfläche gemacht, mit deren Hilfe die neue Karte erstellt wurde.

Die Nasa entwickelt derzeit ein neues Programm, wonach die bemannte Raumfahrt wieder aufleben soll. Im Fokus liegt die Rohstoffgewinnung und Besiedlung von Mond und Mars. Dies wird allerdings noch einige Jahre bis Jahrzehnte dauern, da es den USA derzeit am Geld fehlt – im Gegensatz etwa zu China. Vor allem die Volksrepublik könnte die westliche Welt eines Tages vor vollendete Tatsachen und abgesteckte Gebietsansprüche stellen.

Bei den Besitzrechten von Himmelskörpern für Staaten hat das internationale Recht klare Maßstäbe normiert, wonach keine Nation Himmelskörper für sich allein beanspruchen kann. Lücken bietet der Gesetzestext der Vereinten Nationen zum Schutz des Mondes jedoch Privatpersonen.

Einzige, nicht gerade präzise Einschränkung: Die Erforschung und Nutzung des Alls soll Sache der gesamten Menschheit sein und „zum Vorteil und im Interesse aller Länder ungeachtet ihres wirtschaftlichen und wissenschaftlichen Entwicklungsstandes wahrgenommen werden“.

 

Artikel 3 des Mondvertrages von 1979

Der Mond soll von allen Vertragsstaaten ausschließlich für friedliche Zwecke genutzt werden.

Jede Androhung oder Anwendung von Gewalt oder jede andere feindliche Handlung oder Androhung feindlicher Handlungen auf dem Mond ist untersagt. Es ist ebenfalls untersagt, den Mond zu nutzen, um die Erde, den Mond, Raumschiffe, das Personal von Raumfahrzeugen oder künstliche Weltraumobjekte zu bedrohen. Die Vertragsstaaten dürfen in der Umlaufbahn oder auf dem Mond keine Träger­objekte für Kernwaffen oder anderen Arten von Massenvernichtungswaffen installieren.

Die Errichtung von Militärbasen, militärischen Anlagen oder Befestigungsanlagen und die Durchführung von militärischen Manövern sowie Atomwaffentests auf dem Mond sind zu verbieten. Der Einsatz von Militärpersonal für die wissenschaftliche Forschung oder für sonstige friedliche Zwecke darf nicht untersagt werden. Die Verwendung von Geräten oder Anlagen für friedliche Erforschung und Nutzung des Mondes ist ebenfalls nicht verboten.

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