© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  28/14 / 04. Juli 2014

Die Energiewende frißt ihre Nachbarn
Externe Effekte: Die deutsche Ökostromförderung durch das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) treibt im Inland die Strompreise in die Höhe und im Ausland klimaneutrale Wasserkraftwerke in den Ruin / Eine EEG-Novelle soll die „Überförderung“ der Branche beenden
Fred F. Müller

Das EEG steht unter doppeltem Beschuß. Im Inland beklagen Verbraucher und Industrie die explodierenden Strompreise durch die gesetzlich garantierte Einspeisevergütung für Ökostromproduzenten. Um 200 Prozent seien die Kosten für die Energiewende seit 2010 gestiegen, rechnete Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) im Deutschen Bundestag vor. Um diese „Überförderung“ abzubauen, hat die große Koalition die Vergütung für Neuanlagen von 17 Cent auf 12 Cent je Kilowattstunde abgesenkt. Zudem sollen Direktvermarktung- und Ausschreibungspflichten für mehr Markt sorgen und den gängigen Subventionssozialimus der Branche durchlüften.

Im Ausland nimmt die EU das EEG in die Zange, weil es in den großzügigen Rabatten für energieintensive Unternehmen und den üppigen Förderprämien inländischer Energieerzeuger eine Diskriminierung ausländischer Unternehmer erblickt. Die Fachleute sprechen von nichttarifären Handelshemmnissen. Die Klage eines finnischen Windparkbetreibers gegen den Ausschluß von der schwedischen Ökostromförderung wies der Europäische Gerichtshof jüngst zurück. Einige EU-rechtliche Bedenken gegen das frischnovellierte EEG sind damit vorerst vom Tisch.

Geld wird nur noch im Winter verdient

Wie das Beispiel der Schweiz zeigt, fügt die deutsche Wind- und Solarstromförderung den Nachbarländern massiven wirtschaftlichen Schaden zu. Die subventionierten Überschußmengen werden auf Kosten des deutschen Steuerzahlers ins Ausland abgeleitet und ruinieren das Geschäftsmodell dortiger Anbieter klassisch-erneuerbarer Energien gründlich. Die deutsche Energiewende frißt ihre Nachbarn dank staatlich gestützter Dumpingpreise. Besonders übel trifft es dabei gerade die in den Alpenländern bisher sehr gut aufgestellten Betreiber von Wasserkraftwerken. So auch die Axpo AG, den größten Schweizer Produzenten von Strom aus Wasserkraft.

In einem Interview mit der Berner Zeitung klagte Axpo-Verwaltungsratspräsident Robert Lombardini, daß man inzwischen wegen der Ertragsausfälle und der ungewissen Zukunft in der Zwickmühle stecke und Geld aktuell nur noch im Winter verdient werde. Wenn es keine Änderung gebe, so könne die Axpo bis zu einer Milliarde Franken verlieren. Die Situation sei alarmierend, weil in den nächsten drei bis fünf, wenn nicht gar zehn Jahren keine Änderung des Ist-Zustandes zu erwarten sei.

Im Sommer, so Lombardini, werde es angesichts der aus dem europäischen Ausland verfügbaren Strommengen bald soweit sein, daß man gezwungen sei, das Wasser ungenutzt an den Turbinen vorbeizuleiten. Betroffen ist auch die Investitionstätigkeit. Wegen der Ertragsausfälle und der ungewissen Zukunft stecke das Unternehmen in einer Zwickmühle zwischen schlichter Aufrechterhaltung des Bestands und der eigentlich erforderlichen Erneuerung der Anlagen. Man könne im Prinzip nur noch versuchen, den vorhandenen Bestand an Wasserkraftwerken mit möglichst wenig Aufwand sicher am Netz zu halten. Wenig Freude dürfte dies bei der Schweizer Regierung hervorrufen, denn für deren ambitionierte Ökostrompläne – einschließlich eines massiven Ausbaus der Wasserkraft – bedeutet dies einen herben Rückschlag.

Dadurch sind ausgerechnet die Projekte bedroht, die aus Sicht energiepolitischer Strategen von zentraler Bedeutung sind, nämlich die Alpen-Pumpspeicherkraftwerke, die von manchen Politikern gerne als „Batterien Europas“ angepriesen werden. Zu den Projekten, die nach Lombardini angesichts des aktuellen Marktumfeldes kaum noch Aussicht auf eine Realisierung haben, gehört auch die geplante Erweiterung des Pumpspeicherkraftwerks der Kraftwerke Linth-Limmern AG im Kanton Glarus.

Die niedrigeren Großhandelspreise für Strom haben der Axpo die Geschäftsergebnisse gründlich verhagelt. Insgesamt sank der Konzernumsatz um über zehn Prozent auf 3,57 Milliarden Schweizer Franken. Beim Betriebsergebnis vor Steuern verzeichnete man sogar ein Minus von rund 25 Prozent. Unter dem Strich blieben 502 Millionen Franken übrig, rund 16 Prozent weniger als 2012/13, meldete der Internet-Nachrichtendienst Bluewin.ch. „Wir sehen keinen Trend, daß die Strompreise sich erholen“, blickt Axpo-Chef Andrew Walo in eine düstere Zukunft. Deshalb müsse man rechtzeitig Gegenmaßnahmen ergreifen, indem man auch die laufenden Kosten senkt.

Erreicht werden soll dies durch den Abbau von 300 der insgesamt derzeit 4.460 Vollzeitstellen, das bedeutet die Entlassung von sieben Prozent der Belegschaft. Natürlich versucht man, diese Maßnahme durch zeitliche Streckung über drei Jahre und die Anwendung eines Sozialplans abzufedern. Dennoch bleibt die häßliche Tatsache bestehen: Die deutsche Energiewende kostet in der Schweiz inzwischen Arbeitsplätze im Bereich der umweltfreundlichen, Kohlstoffdioxid-vermeidenden Wasserkraft. Auch bei der Centralschweizerischen Kraftwerke AG lodert Feuer unter dem Dach, dort mußten wegen der unwirtschaftlich gewordenen Stromproduktion 40 Arbeitsplätze abgebaut werden.

Foto: Sonnenenergie versus Wasserkraft: Subventionierter deutscher Dumpingstrom gefährdet auch die Arbeitsplätze im schweizerischen Laufwasserkraftwerk Wildegg-Brugg

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