© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  28/14 / 04. Juli 2014

Frau Schwesig baut ein Haus
Demokratieförderung: Die Abkehr des Familienministeriums von der Bekämpfung des Linksextremismus wird bis in die Wortwahl deutlich
Marcus Schmidt

Politik ist immer auch ein Kampf um Begriffe. Diese Lektion hat die junge Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig (SPD) schnell gelernt, wie am Beispiel des Anfang der Woche vorgestellten neuen Förderprogrammes „Demokratie leben!“ deutlich wird.

Das mit 30,5 Millionen Euro ausgestattete Bundesprogramm tritt an die Stelle der bisherigen Fördermaßnahmen im Kampf gegen Rechtsextremismus und Linksextremismus. Vor allem letzterer, von Schwesigs Vorgängerin Kristina Schröder (CDU) initiiert, war einem breiten Bündnis von SPD über Grüne, Linkspartei bis hin zu extremistischen Antifa-Gruppen von Anbeginn ein Ärgernis. Doch damit und mit der gleichfalls verhaßten sogenannten Extremismusklausel, die sicherstellen sollte, daß keine verfassungsfeindlichen Gruppen mit Geld vom Staat gefördert werden, ist jetzt endgültig Schluß. Seit die 40 Jahre alte Schwesig das Familienministerium übernommen hat, spielt die Bekämpfung des Linksextremismus so gut wie keine Rolle mehr. Das zeigt sich bis in die Wortwahl. So lautet der Untertitel des neuen Bundesprogrammes „Aktiv gegen Rechtsextremismus, Gewalt und Menschenfeindlichkeit“, obwohl doch eigentlich alle Formen des Extremismus, also auch der Linksextremismus, bekämpft werden sollen. Fast verschämt ist statt dessen an anderer Stelle von „linker Militanz“ die Rede. Schwesig ließ keinen Zweifel daran, daß dies kein Zufall ist.

Denn bei der Vorstellung des neuen Förderprogrammes, das sie als „wunderbares Haus“ bezeichnete, unter dessen Dach nun alle Aktivitäten der Demokratieförderung gebündelt würden, ging sie mit der Politik ihrer Amtsvorgängerin hart ins Gericht. Weil Rechts- und Linksextremismus durch die gleichrangige Bekämpfung quasi auf eine Stufe gestellt wurden, seien bei den zivilgesellschaftlichen Initiativen „tiefe Gräben“ gerissen worden. Ein wichtiges Ziel von „Demokratie leben!“ sei es daher, diesen Gruppen den Rücken zu stärken und Vertrauen wiederherzustellen.

Zudem hätten sich die Projekte gegen linke Demokratiefeinde als wirkungslos erwiesen. Überhaupt sei das Problem des Linksextremismus von der Vorgängerregierung „aufgebauscht“ worden, sagte Schwesig. Das neue Programm habe daher ganz klar den Schwerpunkt auf der Bekämpfung des Rechtsextremismus. „Denn das ist ein Problem der Gesellschaft“, sagte Schwesig, die für die Neuausrichtung der Extremismusbekämpfung auch ihr Ministerium umgebaut hat. Die Demokratieförderung wird künftig nicht mehr von der Abteilung „Kinder und Jugend“, sondern von der Zentralabteilung des Ministeriums verantwortet. Zudem wurde extra ein Referat „Demokratie und Vielfalt“ gegründet, das vom bisherigen Leiter des Berliner Anne-Frank-Zentrums, Thomas Heppener, geführt wird.

Die Hauptaufgabe des neuen Programms liegt dabei auf der Förderung lokaler Initiativen. Die Zahl der vom Ministerium finanzierten „Lokalen Aktionspläne“ soll von 170 auf 220 ausgebaut werden. Auch die Arbeit der sogenannten Mobilen Beratungsteams und der Opfer- und Aussteigerberatung soll weiterentwickelt werden. Ziel sei es, nachhaltige Strukturen zu schaffen. Aus diesem Grund und um Planungssicherheit zu geben, werden die Projekte künftig fünf Jahre lang gefördert. Wer in den Genuß von bis zu 200.000 Euro staatlicher Förderung kommen will, muß künftig nur noch 20 Prozent an Eigen- oder Drittmittel aufbringen, statt wie bisher 50 Prozent. Insgesamt stehen hierfür 22 Millionen Euro zur Verfügung.

Rund sechs Millionen Euro stellt das Ministerium für Modellprojekte wie die Radikalisierungsprävention bereit. Dahinter verbirgt sich der Versuch, Kinder und Jugendliche, die in den Extremismus abzurutschen drohen, zu „deradikalisieren“. „Wir wollen uns mit denen beschäftigen, die davor stehen, in den Brunnen zu fallen“, sagte Heppener.

Schwesig machte deutlich, daß es sich beim Bundesprogramm „Demokratie leben!“ nur um einen ersten Schritt handelt. Das große Ziel heißt Verstetigung. Seit Jahren schon träumen linke Initiativen davon, den lukrativen „Kampf gegen Rechts“ den Unwägbarkeiten eines Regierungs- oder Ministerwechsels zu entziehen, etwa in Form einer Bundesstiftung. Bis es soweit sei, müßten aber noch verfassungsrechtliche Fragen geklärt werden, erläuterte Schwesig.

Auch die nun zur Verfügung stehenden 30,5 Millionen Euro werden nicht als Ende der Fahnenstange gesehen. Im Wahlkampf hatte die SPD für den „Kampf gegen Rechts“ 50 Millionen Euro gefordert. „Keine Frage, hier geht immer mehr“, sagte Schwesig nun mit Blick auf die Finanzen.

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