© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  27/14 / 27. Juni 2014

Spiel des Lebens
Die Mode wechselt, die Eitelkeiten bleiben: Charakterköpfe, Von Andreas Harlaß Trendsetter und Statussymbole abseits des Rasens aus fünf Jahrzehnten
Christian Dorn

Ich habe viel Geld für Alkohol, Frauen und schnelle Autos ausgegeben, den Rest habe ich einfach verpraßt.“ Mit diesem so tautologischen wie leitmotivischen Bekenntnis verbindet sich der legendäre Name George Bests, der ersten Stilikone der Fußballgeschichte. Der aus Belfast stammende Spieler, „eine Art Hybrid aus Spitzensportler und Spitzenmodel, Fußballer und Frauenheld, Playboy und Popstar“ (Der Spiegel), bildet den Auftakt eines liebevoll zusammengestellten Bilderreigens jener Fußballerstars, die auf dem Rasen ihre Karriere begründeten, sich aber nicht mit Otto Rehhagels Weisheit begnügten, der zufolge die Wahrheit ausschließlich auf dem Platz liege. Dieser Umstand wird dem Publikum spätestens wieder ins Bewußtsein treten, wenn die Fußball-WM verklingt und die Boulevardpresse erneut das Zepter übernimmt.

Im dem kleinformatigen Bildband „Football Styler“ widmen sich weitere Kapitel den Rasenlegenden Günter Netzer, David Beckham oder dem in Portugals WM-Elf stehenden Cristiano Ronaldo. Dem wohl bestbezahlten Kicker der Gegenwart, der 2009 von Manchester United für eine Rekordsumme von 94 Millionen Euro zu Real Madrid wechselte, stieg seither die Eitelkeit zu Kopf: Er firmiert als Modemarke CR7. Diese, so ätzte das Fußballmagazin Kicker, sei im WM-Vorrundenspiel von Thomas Müller glatt „ausradiert“ worden.

Autos, Rauchen, Vokuhila, Spielerfrauen und Fankultur

Aufsehen erregte der Spieler Netzer bereits in seiner Gladbacher Zeit, als er die Stadionzeitung Fohlen herausgab, parallel Versicherungen vertrieb und so das Geld für seinen ersten Porsche, einen 911er Coupé, und die Bar „Lover’s Lane“ verdiente. Damals, so Netzer, habe Trainer Hennes Weisweiler auf seine Einladung zur Eröffnung der Diskothek nur geantwortet: „Das ist das Ende.“ Dabei, glaubt Netzer heute, sei er in seinem Leben nie so seriös gewesen wie in jener Zeit. Doch damals seien Popstars nicht akzeptiert worden: „David Beckham hatte es einfacher als ich.“

Überhaupt, das zeigen die anekdotisch ausgewählten Bilder, waren Autos einst ein unverzichtbares Objekt zur Untermauerung von eigenem Stil und Status. Neben den teils luxuriösen Karossen, die im Fall von Olaf Thon 1984 auch schon mal ein Mofa Pegasus sein konnten oder bei Pierre Littbarski ein Honda Civic, reflektieren weitere Kapitel einzelne Phänomene wie etwa das Rauchen, mit dem sich markante Motive verbinden, wie beispielsweise die Aufnahmen von Max Merkel, Ernst Happel oder César Luis Menotti, dem zweifelsfrei „stilvollsten unter allen Fußball-Rauchern“.

Weitere Bildstrecken widmen sich den Girls, sprich: den Spielerfrauen. Im Gefolge der englischen Fußballmannschaft während der Weltmeisterschaft 2006 in Deutschland entstand das Akronym WAGs, das für „Wives and Girlfriends“ steht.

Nicht selten geht das eine (Frau) mit dem anderen (Mode) einher. Das illustriert nicht nur das Paar Victoria und David Beckham. Dabei ist die Mode vom Gegenverkehr oder einer asexuellen Art des „Crossdressing“ gekennzeichnet: Denn während Trainer wie Pep Guardiola oder Joachim Löw gerade vom teuersten Herrenausstatter oder gar Maßschneider zu kommen scheinen, dominieren die Trainingsklamotten à la Horst Hrubesch oder Helmut Schön oder die Brille von Branko Zebec die Hipster-Kultur in den Metropolen.

Natürlich würde etwas fehlen, kämen in dieser Retrospektive nicht auch die Fan-Kultur und das ergiebige Thema „Haare“ zur Geltung. Am unterhaltsamsten sind so fraglos die diversen Frisuren – legendär Paul Breitners Wuschelkopf –, wobei besonders die kulturelle Transformation der „Vokuhila“ ins Auge sticht: Einst prollig und geschmacklos, verortet in Bielefeld, Kaiserslautern oder Krefeld-Uerdingen, zeigen sich ihre zeitgenössischen Spielarten heute eher in Miami als in Rostock-Lichtenhagen.

Thomas Lötz (Hrsg.): Football Styler. Spielmacher, Mannheim 2013, gebunden, über 120 Abbildungen, 284 Seiten, 19,80 Euro

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