© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  27/14 / 27. Juni 2014

Umwelt
Algen zu Plastik
Heiko Urbanzyk

So eine Ölpest am Urlaubsstrand nervt und macht „nebenbei“ noch ein ganzes Ökosystem kaputt. Eine Algenpest stört den Urlauber nicht weniger. Aber Öl und Algen haben noch vielmehr gemeinsam: Man macht Kunststoff aus ihnen. Kunststoff aus Algen? Ja! Der Bretone Rémy Lucas war zwar nicht von einer Ölpest betroffen, jedoch vom Plastikmüll an seinem Heimatstrand im französischen St. Malo in der Betragne. Auch die Algen fielen ihm auf, und er dachte sich, da müsse man doch etwas machen können: mit Algen gegen Plastikmüll.

Das preisgekrönte Granulat ist in der verarbeitenden Industrie auf der ganzen Welt gefragt.

Der Ingenieur tüftelte etwa 15 Jahre lang in seiner Garage und, voilà!, erfand „ALGOpack“ – den Kunststoff aus Algen. 100 Prozent biologisch abbaubar und ökologisch wirklich sinnvoll. „Bio“-Kunststoffe (thermoplastische Stärke) aus Maisstärke und Zuckerrüben gerieten in die Kritik, sie würden Anbauflächen für Verpackungen statt für Nahrung besetzen. Außerdem müsse irre viel Energie in die Herstellung gesteckt werden.

Ganz anders bei ALGOpack: Die Algen wachsen sowieso im Meer, rauben keine Ackerflächen und spielen als Lebensmittel so gut wie keine Rolle. Das preisgekrönte Granulat ist in der verarbeitenden Industrie auf der ganzen Welt gefragt: Kinderspielzeug, Brillengestelle, Frischhaltedosen, Kreditkarten, Verpackungen, Küchengeräte und vieles mehr wird daraus bereits hergestellt. Im Preis-Leistungs-Verhältnis ist das Algenplastik konkurrenzlos.

Rémy Lucas’ Unternehmen hat neue Arbeitsplätze in seiner Heimatstadt geschaffen. Die Lobeshymnen klingen von Arte bis zum Verein Deutscher Ingenieure (VDI). Das Fraunhofer-Zentrum für Chemisch-Biotechnologische Prozesse CBP kündigte 2010 an, bis etwa 2015 aus Algen Kunststoffe herstellen zu wollen; dank eines einzelnen Bretonen kann man sich dort nun anderen Themen widmen. C’est la vie!

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