© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  27/14 / 27. Juni 2014

Ambivalenter Patriotismus
Ein Ex-Grüner über Deutschlandliebe und -leid
Rolf Stolz

Hubert Bjarsch, Jahrgang 1935, Arzt und Psychotherapeut, bis Mitte der achtziger Jahre bei den Grünen aktiv, hat ein lesenswertes Buch geschrieben. Erschienen ist es in einem jener Verlage, in deren Programmen die wenigen Perlen in der Selbstverwirklichungsflut allzuleicht unbemerkt bleiben. Mehreres kommt in dieser Streitschrift zusammen: Geschichtsbetrachtung auf hundert Seiten von 1614 bis 1968, Kritik am Zeitgeist und an Demokratiedefiziten, Einschätzungen zur Finanzkrise, zum Islam und zum Islamismus, Naumburger Kindheitserinnerungen aus dem Bombenkrieg, Jugenderinnerungen aus dem besetzten und geteilten Berlin. Bjarsch dokumentiert einen langen Brief, den sein 1943 in Bosnien im Kampf gegen die Tito-Partisanen gefallener Vater, ein Lehrer, kurz vor dem Tod schrieb – ein bewegendes Lebenszeugnis, das noch einmal daran erinnert, mit welcher barbarischen Brutalität der Partisanenkampf auf beiden Seiten geführt wurde.

Der brillanteste Teil dieses Buches ist ohne Zweifel die Analyse der deutschen Misere – vom Überfall mehrerer Nachbarländer im Dreißigjährigen Krieg an, der sich seitens Frankreichs zweihundert Jahre lang fortsetzte mit dem Raub Elsaß-Lothringens, mit der Verheerung der Pfalz und Heidelbergs, mit Napoleons Eroberungspolitik bis zur gegen Deutschland gerichteten englischen Einkreisungspolitik als eine Konstante im Zweiten Dreißigjährigen Krieg von 1914 bis 1945.

Sehr klar differenziert der Autor zwischen den Anhängern und den Gegnern Hitlers sowie zwischen jener Minderheit unter seinen Wählern, die für Terror und Diktatur plädierten, und denen, die ihn als kleineres Übel sahen oder seinen Friedens- und Volksgemeinschaftsversprechungen glaubten.

Hellsichtig beschreibt Hubert Bjarsch die Persönlichkeit und die verbrecherische Politik Hitlers, ohne ihn durch Dämonisierung aus dem historischen Kontext zu lösen. Gelegentliche kleine Fehler (so duzte Hitler nicht nur Rudolf Heß) ändern nichts an der Leistung von Hubert Bjarsch im Kampf gegen all die Geschichtsverdrehungen, mit denen Deutschlands Elend verewigt und unsere Nation endgültig vernichtet werden soll.

Hubert Bjarsch: Deutschland – meine Liebe, meine Katastrophe. Vergangenheit trifft Zukunft. Frieling Verlag, Berlin 2013, broschiert, 188 Seiten, 9,90 Euro

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen