© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  27/14 / 27. Juni 2014

„Das war ein Fehler“
AfD: Während der Landesverband in Baden-Württemberg vor der Zerreißprobe steht, sorgt ein Funktionär in Sachsen für Schlagzeilen
Marcus Schmidt

Thomas Hartung wirkt zerknirscht. „Ich bin noch nie so mißverstanden worden“, sagte der stellvertretende AfD-Chef von Sachsen der JUNGEN FREIHEIT. Zuvor hatte er das erlebt, was neudeutsch als „Shitstorm“ bezeichnet wird. Wütende Reaktionen in den sozialen Medien, Rücktrittsforderungen und die Ankündigung der Technischen Universität Dresden, bei der er angestellt ist, Konsequenzen zu prüfen.

Anlaß für die Aufregung war ein Eintrag Hartungs auf Facebook, in dem es unter anderem um Pablo Pineda ging, einen spanischen Lehrer mit Down-Syndrom. „Ich spreche einem Menschen mit Trisomie 21 die Befähigung ab, in Deutschland den Hochschulberuf eines Lehrers zu ergreifen, und gebe kund, daß ich als Nichtbehinderter von einem solchen nicht unterrichtet werden möchte“, hatte Hartung auf Facebook geschrieben. Er beteuert, er habe Pablo Pineda nicht beleidigen wollen. „Was er erreicht hat, ist eine klasse Leistung“, sagte Hartung. Vielmehr habe er seiner Befürchtung über den Bildungsabbau in Deutschland Ausdruck verleihen wollen, erläuterte er und verwies auf die Diskussion über die Absenkung der Anforderungen für das Abitur in Deutschland. „Aber meine Wortwahl war falsch. Das war ein Fehler“, sagte Hartung.

Seine Partei reagierte angesichts des beginnenden Wahlkampfes für die Landtagswahl am 31. August entsetzt. „Das ist weder Position der Bundes-AfD, noch Position der AfD Sachsen“, teilte Landeschefin Frauke Petry mit und schob eine Presseerklärung nach: „Meine persönlichen Erfahrungen aus der Arbeit mit behinderten Menschen haben mir gezeigt, daß ihre emphatischen Fähigkeiten in unserer Gesellschaft dringend nötig sind“, heißt es darin. Am Dienstag abend wollte der Landesvorstand auf einer Sitzung über das Schicksal des Partei-Vizes entscheiden (das Ergebnis lag bei Redaktionsschluß noch nicht vor).

Die Probleme in Sachsen nehmen sich dennoch bescheiden aus im Vergleich mit der Unruhe, die derzeit im Landesverband Baden-Württemberg herrscht. Dort stand der Landesverband in der vergangenen Woche vor der Zerreißprobe. Anlaß ist der Vorwurf gegen zwei Mitglieder des Vorstands, sie hätten parteiinterne Informationen an ein ehemaliges AfD-Mitglied weitergeleitet, das mit der Partei im Rechtsstreit liegt.

Der stellvertretende Landessprecher Heinrich Fiechtner und Beisitzer Eberhard Brett sollen dem im Februar aus der Partei ausgetretenen Elias Mößner, der gegen die Zulassung der AfD zur Europawahl Verfassungsbeschwerde eingereicht hat, mit Informationen versorgt haben. Brett, der eingestanden hat, Mößner eine Rundmail an die Mitglieder weitergeleitet zu haben, wurde von der Mehrheit des Vorstandes aufgefordert, aus der Partei auszutreten. Fiechtner solle seine Mitgliedschaft im Vorstand ruhen lassen, bis die Vorwürfe geklärt seien, entschied die AfD-Spitze.

Während Brett mittlerweile von seinem Amt als Beisitzer im Vorstand zurücktrat, kündigte Fiechtner an, sich gegen die Vorwürfe zu wehren. „Wenn ihr diese Art Krieg wollt, könnt ihr ihn haben“, heißt es in einer Mail Fiechtners an den Vorstand. Sowohl Brett und als auch Fiechtner sitzen für die AfD im Stuttgarter Gemeinderat.

Ausgangspunkt des Streits ist eine Auseinandersetzung über die Tagesordnung des ursprünglich für das Wochenende in Tettnang geplanten Landesparteitages. In einem unter anderem von Brett und Fiechtner verfaßten Schreiben war die Parteiführung aufgefordert worden, die Tagesordnung des Parteitages zu ändern. Andernfalls könne die Versammlung keine Beschlüsse zu politischen Anträgen oder zu Satzungsfragen fassen. Unter dem Druck initiierte der Vorstand schließlich eine Mitgliederbefragung. Eine Mehrheit der Teilnehmer stimmte dafür, den Parteitag zu verschieben. Nun plant der Vorstand für das Wochenende lediglich ein Arbeitsreffen.

Doch auch dagegen formiert sich Widerstand. In mehreren Kreisverbänden wurden in den vergangenen Tagen Mitgliederversammlungen einberufen: Laut Satzung muß ein außerordentlicher Parteitag stattfinden, wenn das von mindestens fünf Kreisverbänden gefordert wird. In der Partei galt es als sehr wahrscheinlich, daß bis Mitte der Woche dieses Quorum erreicht wird.

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