© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  26/14 / 20. Juni 2014

Totentanz im Schweinestall
Tierseuchen: Afrikanische Schweinepest wird kommen
Heiko Urbanzyk

Die Afrikanische Schweinepest (ASP) ist auf dem Vormarsch. Im Februar wurde der erste Fall im Osten Polens gemeldet. Damit ist eine der gefährlichsten Tierkrankheiten der Welt vor der deutschen Haustüre angelangt. Das Friedrich-Loeffler-Institut (FLI) – Bundesforschungsinstitut für Tiergesundheit in Greifswald befürchtet, Wild- und Hausschweinbestände könnten durch die zu 100 Prozent tödliche Seuche schwersten Schaden nehmen.

In der aktuellen Nummer der Halbjahresschrift ForschungsReport (2/2013) warnten die Fachleute Sandra Blome und Martin Beer: „Eine Einschleppung der Seuche hätte verheerende Auswirkungen auf die deutsche Schweineindustrie.“ Auch Jäger schlagen Alarm: Sie befürchten die vollständige Ausrottung des Schwarzwildes in Deutschland. Zerwühlte Beete in den Randbezirken deutscher Städte würden dann auf Jahrzehnte der Vergangenheit angehören, aber auch mit dem vorwitzigen Besuch von Wildschweinen am Berliner S-Bahnhof Wannsee oder auf dem Campus der Universität Potsdam würde Schluß sein.

2007 brach die aggressive Seuche erstmals in Georgien aus und verbreitete sich von dort über Rußland bis nach Weißrußland. Im Januar wurden erste ASP-Fälle in Litauen bekannt – also schon auf EU-Gebiet.

Die russische Pausenstulle als biologische Waffe?

Die Gelehrten streiten über mögliche Ausbreitungswege Richtung Deutschland. Bis zum Jahresbeginn trösteten sich Fachkreise damit, daß die Einfuhr von russischen Schweinen in die EU verboten und der Wurstwaren­import äußerst streng kontrolliert sei. Man ging davon aus, daß LKW zum Fleischexport aus dem Ostblock kontaminiert in die EU zurückkämen und forderte die rechtzeitige Desinfektion vor den Grenzen. Eine andere Theorie machte achtlos weggeworfene Essensreste außereuropäischer LKW-Fahrer für die mögliche Ausbreitung verantwortlich: Die russische Pausenstulle als biologische Waffe?

Schließlich sollten Jagden die Ausbreitung des Virus nach Westen begünstigen. Wenige Tage bevor man die ASP im bis dahin seuchenfreien Polen entdeckte, fanden auf weißrussischem Gebiet in Grenznähe Treib- und Drückjagden statt. Die Gejagten suchten wohl auf polnischem Gebiet Schutz.

Der in allen Belangen traditionell löchrige „Schutzdamm EU-Außengrenze“, auf den Experten setzten, ist also geborsten. Der Weg im Schengenraum ist frei. In einer qualitativen Risikobewertung des Friedrich-Loeffler-Instituts zum Einschleppen der ASP aus Osteuropa vom April heißt es dazu (Hervorhebung durch das FLI): „Das Risiko des Eintrags von ASP nach Deutschland durch illegales Verbringen und Entsorgen von kontaminiertem Material wird als hoch eingeschätzt. Das Risiko des Eintrags durch kontaminiertes Schweinefleisch oder Erzeugnisse entlang dem Fernstraßennetz durch Fahrzeuge oder Personen wird im Sinne eines ‘worst case scenario’ als hoch eingeschätzt.“

Nun geht es an die seit Jahren geplante Schadensbegrenzung: Meldepflichten, Fortbildungen, Sperrbezirke, Desinfektionen, Jagdverbote, Massentötungen. Die Aussichten sind dennoch trübe. So solle die Ausbreitung unter Hausschweinen in gut kontrollierten Mastbetrieben zwar ein zu bewältigendes, da isolierbares Risiko sein. In Georgien klappte das 2007 allerdings nicht.

Mangels Impfstoff bleibt nur das Keulen

Noch schwieriger werde es bei den Wildschweinpopulationen. Auf russischem Gebiet konnte sich eine grassierende Seuche wegen der vergleichsweise geringen Schwarzwildpopulationsdichte auch einmal „totlaufen“. In Deutschland ist die Dichte sehr viel höher. Laut Armin Deutz, Leiter des Veterinärreferats im Bezirk Murau (Steiermark), sei hierzulande mit dem „Totlaufen“ nicht zu rechnen. Sei die ASP erst einmal in Deutschland, „werden wir vermutlich ein bis zwei Jahrzehnte mit ihr leben müssen“, sagte der Wildtierarzt dem Jagdmagazin Pirsch (7/2014).

Im Gegensatz zur klassischen Schweinepest gibt es laut Friedrich-Loeffler-Institut keinen Impfstoff. Die Bekämpfung in Sperrbezirken könne einzig durch die Tötung „ansteckungsverdächtiger“ Schweine erfolgen. Aufgrund langanhaltender Sperrmaßnahmen werde es „aus Tierschutzgründen und wegen fehlender wirtschaftlicher Verwertbarkeit“ zu zusätzlichen Tötungen kommen. In Litauen keulte man in den Seuchengebieten gleich sämtliche Tiere – auch Hausschweine, obwohl bisher nur Wildschweine betroffen sind.

Um die Sperrbezirke in Deutschland müßten zusätzlich „Restrisikozonen“ errichtet werden. Ganz Deutschland würde zum Sperrgebiet für den Export von Schweinefleisch und dessen Erzeugnissen. „Damit wären sehr hohe wirtschaftliche Einbußen verbunden“, betont das FLI.

Pirsch berichtet in Ausgabe 7/2014 weiter über die „unglaubliche Beständigkeit“ des todbringenden Virus. In getrocknetem Schweineschinken hält sich der Erreger 140 Tage, in Parmaschinken sogar 399 Tage. „Die Möglichkeit, daß ein weggeworfenes Salamibrot die Schweinepest in einem neuen Gebiet entzündet, ist daher nicht weit hergeholt.“ Plakate auf Autobahnraststätten ermahnen mittlerweile polnische Fernfahrer zur Vorsicht. Doch warum sollte die ASP ausgerechnet an der Oder-Neiße-Linie haltmachen?

Foto: Hinweis des Bundesland-wirtschaftsministeriums auf polnisch, russisch, rumänisch und deutsch (oben); notgeschlachtete Hausschweine in der Region Stawropol, Russische Föderation: Von osteuro-päischen Brummifahrern achtlos weggeworfene Speisereste stellen eine große Übertragungsgefahr dar

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