© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  26/14 / 20. Juni 2014

Das Erhabene darf hier noch erheben
Richard Wagner in Wels: 25 Jahre Festival in Öberösterreich / „Lohengrin“ und „Holländer“
Sebastian Hennig

Im denkwürdigen Jahr 1989 fand im Treppenaufgang des Theaters im Greif in Wels die bekannte Richard-Wagner-Porträtbüste des Münchner Bildhauers Lorenz Gedon Aufstellung. Zu diesem Anlaß gab es damals ein Programm mit Ausschnitten aus den musikdramatischen Werken Wagners. Im Publikum zugegen war der Enkel Wolfgang Wagner. Die gehobene Stimmung dieses Abends beförderte hochfliegende Pläne. Es war vor 25 Jahren nicht abzusehen, daß damit zugleich der Beginn eines erlesenen kleinen Festivals markiert wurde.

Seit 1995 finden jeden Frühsommer szenische Aufführungen der Hauptwerke Wagners statt. Die Intendantin Renate Doppler und ihr vor zwei Jahren verstorbener Vater, Walter Just, waren die treibenden Kräfte. Es konnten zahlreiche Sponsoren und Förderer gewonnen werden. Außer den „Meistersingern“, „Rheingold“ und „Götterdämmerung“ wurden alle Hauptwerke Wagners in den zurückliegenden Jahren aufgeführt.

Das Welser Festival wurde zu einer Art Not-Theater einer orthodoxen Wagnerianer-Diaspora, die keine bleibende Stätte mehr hat, zuallerletzt in Bayreuth. Denn anders als unmittelbar nach dem Krieg, als die Opernhäuser in Trümmern lagen, liegen heute die Opern in Trümmern auf den Bühnen der schönsten Häuser. Es stellt sich auf den knapp sechshundert Plätzen des Theaters im Greif regelmäßig ein Publikum ein, das ermattet und angewidert ist von den landläufigen Regie-Unsinnigkeiten. In Wels darf das Erhabene noch erheben, und das Publikum findet dabei zahlreiche Verbündete unter den Musikern. Hier gastierten so erprobte Wagner-Sänger wie Theo Adam, Hans Sotin, Bernd Weikl, Gwyneth Jones und Kurt Rydl.

Da aber nur eine halbe Fahrstunde entfernt in Linz das neue Musiktheater mit einem „Ring des Nibelungen“ eröffnete, wurde den Welser Aktivitäten schon voreilig das Totenglöcklein geläutet. Im vergangenen Jahr hatte noch ein „Tannhäuser“ Premiere, in diesem gab es zwei Wiederaufnahmen. Aber gerade das Repertoire ist ja eine große Stärke des deutschsprachigen Raums. Und die Zeitlosigkeit der Inszenierung ist erklärte Absicht des Regisseurs Herbert Adler und seines Ausstatters Dietmar Solt.

Videoanimationen von bewegtem Wasser

Zwei Aufführungen von „Der fliegende Holländer“ waren diesmal von zwei Abenden mit „Lohengrin“ flankiert. Der Regisseur zeigte sich beide Male angetan vom Eindruck des feuchten Elements. Raffinierte Videoanimationen bewegten Wassers von Alfred Loch wurden in den Dienst der Erzählung gestellt. Hinter dem Schiff des Daland rollen haushohe Brecher heran. Drohend schiebt sich als dunkler Schatten der Segler des Holländers heran. Die optische Vorspiegelung unterstreicht die Suggestivkraft des Klangs.

Musikalisch kommen Solisten, die Philharmonie und Chor aus Brünn erst im zweiten Akt so richtig in Fahrt. Astrid Weber als Senta vermag auch die zarten Partien stark wirken zu lassen, ohne dabei laut zu werden. Der Erik von Clemens Bieber ist einmal kein alberner Tölpel, sondern ein kerngesunder Bursche. Bald schon löst sich die Anwesenheit des Orchesters im farbigen Orkan des Musikdramas auf. Im Finale steigert sich diese Verschmelzung zu atemberaubender Wirkung. Senta springt tatsächlich in die Fluten.

Seiner Natur nach ganz anders ist „Lohengrin“ beschaffen. In dieser großen romantischen Oper gibt es wenig Bewegung und viele Gruppenaufstellungen. Chor und Herold haben viel Text. Selbst der Zweikampf des Gottesgerichts ist ritualisiert. Durch eine leicht aus ihrem Zentrum gerückte Symmetrie der Figurenaufstellung erreicht die Regie ein intimes Pathos. Im Hintergrund ist die blaue Fläche der Schelde zu sehen. Das Wasser wogt zu Beginn und am Ende des Dramas und kündet von der geheimen und hehren Ferne, aus der Lohengrin herzog und in die er wiederkehrt.

Ein makelloses Wagner-Orchester

Dieser Lohengrin (Jon Ketilsson) sang wohl schön und deutlich. Doch der hehre Tenorheld unter den Wagner-Sängern ist auch er nicht, eher ein weicher Baritöner. Schöner bringt es aber derzeit niemand zustande, nur lauter. Für das Welser Publikum bedeutet es das Glück, zumindest auf der Höhe zu sein. Für das Operngeschehen insgesamt bleibt es allerdings traurig, das vermissen zu müssen. Da haben wir wie Elsa (Petra-Maria Schnitzer) und ihre Frauen noch lange zu knien und beten, daß ein solcher Erlöser der schönen Rolle uns wieder einmal geschenkt wird.

Eine große Überraschung bot dagegen die Slowakische Philharmonie, die sich unter der Leitung von Ralf Weikert als ein staunenswert makelloses Wagner-Orchester erwies. Überhaupt hat der „Lohengrin“ in den letzten Jahren zu einer deutsch-slawischen Triumphfahrt angesetzt. Den herausragenden deutsch-polnischen Koproduktionen der Opern Greifswald und Stettin (JF 3/14) sowie deutsch-kroatischen in Würzburg und Zagreb (JF 52/13) schließt sich dieser oberösterreichisch-slowakische Schwanenritter an.

Nach den Wiederaufnahmen von „Tristan und Isolde“ und „Tannhäuser“ im nächsten Mai soll bedauerlicherweise die Ära des Welser Wagner-Festivals zu ihrem Abschluß gelangen.

Das nächste und letzte Richard Wagner Festival Wels wird vom 17. bis 22. Mai 2015 stattfinden.

www.wagner-festival-wels.net

Foto: „Lohengrin“ beim Wagner-Festival im österreichischen Wels: Schöner bringt es derzeit niemand zustande

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