© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  26/14 / 20. Juni 2014

Ungleichheit ist wünschenswert
Samtpfotensozialismus
Michael von Prollius

Ein Jahrmarkt lebt von Schaustellern und Budenzauber, der einfältige und vergnügungssüchtige Menschen anzieht. Bärenführer, Wahrsager, Quacksalber, Schlangenmenschen und bärtige Frauen tummeln sich hier; die Masse glotzt und futtert Zuckerwatte. Hierin sind sich alle gleich. Soziale Gerechtigkeit ist so ein Jahrmarktsthema. Politiker und Wissenschaftler parlieren über zunehmende Armut, eine sich spreizende Schere zwischen Arm und Reich, mangelnde Chancengleichheit, sie streiten wie die Marktschreier über die Benachteiligung dieser, jener und weiterer Gruppen. Mehr Gleichheit soll es richten.

Als Orientierung dient ihnen der Gini-Koeffizient, ein statistisches Maß, das zeigt, wie sehr Einkommen oder Vermögen ungleich verteilt sind. Deutschland ist allerdings unter den Top 20, bald nach den skandinavischen Staaten, zusammen mit Weißrußland, der Ukraine und Kroatien. Wo liegt das Problem? Im ungeordneten Denken, in sozialer Verwirrung, im gedanklichen Samtpfotensozialismus.

Soziale Gerechtigkeit bedeutet: Recht ist nicht mehr ausschließlich das, was dem Recht entspricht, sondern alles, was wechselnden Zielen der Regierenden gerecht wird. Und die Regierenden bemühen sich für ihre Ziele um das erforderliche Stimmvieh. Zunehmende Armut? Nie war der Wohlfahrtsstaat üppiger als heute – mehr Umverteilung geht nicht. Die üblich gewordene Orientierung am relativen Armutsmaß bedeutet, daß nicht Armut, sondern Ungleichheit gemessen wird. Aussagen über den materiellen Lebensstandard lassen sich indes nicht ableiten.

Tatsächlich geht es den Menschen immer besser: Vergleichen Sie den Lebensstandard ärmster Menschen heute mit dem der wenigen Wohlhabenden um 1900 oder 1950! Chancengleichheit existierte nicht einmal in den Familien, Horden und Sippen, aus denen dieses Denken stammt; selbst dort konnte nicht jeder den gleichen Anteil bekommen. Sollte im Sinne Wilhelm von Humboldts die bestmögliche Bildung der eigenen Fähigkeiten gemeint sein, dürfte es einigermaßen abstrus sein, dies von Politikern und Behörden zu erwarten.

Das Problem liegt tiefer – im irrigen Glauben, man müsse den Kuchen besser verteilen. Erstens geht die Verteilung aus einem Marktprozeß hervor und ist nicht das beabsichtigte Ergebnis menschlichen Handelns.

Zweitens ist Ungleichheit wünschenswert. Da Menschen nach ihrer Produktivität entlohnt werden, erhalten sie Anreizsignale, dort zu arbeiten, wo es sich für sie lohnt. Ohne Signale keine Orientierung, nur Budenzauber.

Drittens hängen Größe und Qualität des Kuchens davon ab, wie er verteilt wird. Ludwig Erhard betonte: „Nichts ist darum in der Regel unsozialer als der sogenannte ‘Wohlfahrtsstaat’, der die menschliche Verantwortung erschlaffen und die individuelle Leistung absinken läßt.“

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