© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  26/14 / 20. Juni 2014

Zwischen Reichstag und Kanzleramt
Temporeiches Spiel
Paul Rosen

Mit der Schnelligkeit eines Fußballstürmers prescht die Große Koalition voran. CDU, CSU und SPD arbeiten ihr Programm ab, als müßten sie ein Spiel gewinnen. Selbst die Auseinandersetzung um den unter Verdacht des Kinderpornobesitzes stehenden Sebastian Edathy (SPD) kann die Mannschaft nicht entzweien, auch wenn der CSU-Frontmann Hans-Peter Friedrich von Kanzlerin Angela Merkel vom Platz gestellt wurde.

Die Bilanz ist eindrucksvoll, Gegentore konnte die Opposition nicht erzielen. Größte Projekte bisher waren die Rente ab 63 und die Mütterrente. Die Rente mit 63 wollte der linke Flügel, die Mütterrente der rechte, und der Ball war schnell im Tor. Nächstes Projekt ist der Mindestlohn von 8,50 Euro für alle oder fast alle. Wetten, daß der Mindestlohn nicht bis zur Sommerpause in trockenen Tüchern beziehungsweise im Tor ist, werden erst gar nicht mehr angenommen.

Als linker Flügelstürmer hat Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) derzeit den Novellierungsprozeß des Erneuerbare-Energien-Gesetzes fest im Griff, genauso wie Innenminister Thomas de Maizière das Staatsbürgerschaftsrecht und Asylgesetz gemäß Koalitionsvertrag ändern läßt. Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) boxt den Haushaltsplan für 2014, der wegen der Bundestagswahl im vergangenen Jahr nicht beschlossen wurde, durch. Schäubles Ministerium forciert zusammen mit Justizminister Heiko Maas (SPD) ein Verbraucherschutzgesetz für Geldanleger, damit nicht wieder so viele Leute auf riskante Angebote wie im Fall des nicht besonders fairen Spielers „Prokon” hereinfallen. Außerdem will Schäuble die Lebensversicherungskunden mit einem Eilgesetz vor finanziellen Niederlagen bewahren, das ebenfalls bis zu den Sommerferien fertig sein soll. Regelungen zur Strafbarkeit der Selbstanzeige bei Steuerhinterziehung sind ebenso unterwegs wie ein Gesetz zur Finanzmarktregulierung. Gabriel wiederum hat angekündigt, das „Fracking“ neu zu regeln. Dagegen gibt es hierzulande heftige Widerstände, während diese „unkonventionelle” Fördermaßnahme für Gas in den Vereinigten Staaten als sehr erfolgreich gilt. Zugleich läßt Gabriel noch an der Neufassung des Energiewirtschaftsgesetzes arbeiten. Damit sollen Probleme durch die vorrangige Einspeisung von Wind- und Photovoltaikstrom gelöst werden.

Um in der Sprache des Sports zu bleiben: Angesichts der absolvierten oder sich in der Schlußphase befindlichen Gesetzesvorhaben führt die Koalition bereits in der ersten Halbzeit zweistellig. Die grüne Opposition hat nicht einmal im Energiebereich ein Gegentor geschossen, die linke Opposition steht mit ihren unrealistischen Maximalforderungen wie zum Beispiel einem Mindestlohn von zehn Euro nur im Abseits.

Aber die ganz entscheidende Frage bleibt unbeantwortet: Was macht ein Team, das die Vorgaben so früh erfolgreich umsetzt, in der zweiten Halbzeit? Eine Antwort könnte lauten: Es wird keine zweite Halbzeit geben, weil Gabriel mit einer rot-rot-grünen Mannschaft ein neues Spiel plant.

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen