© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  25/14 / 13. Juni 2014

Deutschland sucht den WM-Song
Viele versuchen es, kaum einer hat damit Erfolg: Die JUNGE FREIHEIT stellt die skurrilsten Fußball-Hymnen vor
Albrecht Klötzner

Ja, der Fußball ist rund wie die Welt“, sang einst Ost-Barde Frank Schöbel. Sein West-Pendant Udo Jürgens intonierte 1978 so pathetisch wie kommerziell erfolgreich „Buenos Dias Argentina! Guten Tag, du fremdes Land!“ WM-Titel hatten damals noch so eine Art Alleinstellungsmerkmal. Sie wurden in Funk und Fernsehen vorgetragen, Internet gab es nicht.

Heute ist das Netz voll davon. So voll, scheint es, wie es manche „Interpreten“ bei der Produktion waren. Anders kann man sich nicht erklären, wie einige Dilettanten auf die Idee gekommen sind, sie wären mit einem Male auch Künstler.

Aber es ist auch beileibe nicht alles schlecht, was da bei Youtube und Facebook über den Monitor zappelt und auf jede Menge „Gefällt mir“-Klicks hofft. Inzwischen ist es ein bißchen wie Lotto: Die Macher spekulieren darauf, unter Tausenden entdeckt zu werden und anschließend Kohle einzufahren. Fußball ist ein Geschäft. Und die Musik dazu quasi ein Begleitfisch, der ein bißchen was vom großen Futter des schwimmenden Giganten abbekommen möchte. Die JUNGE FREIHEIT ist virtuell ins Konzert gegangen und hat ein Dutzend Fußball-Hymnen angehört, angesehen und bewertet. Hier das (sehr subjektive) Urteil über eine Handvoll davon. Über Geschmack läßt sich bekanntlich nicht streiten.

 

Glückstreffer

„Wir brauchen Eiaaa so groß wie Deutschland ...“ So patriotisch texten und singen darf man wahrscheinlich nur – unangepöbelt von politisch verdrucksten Gutmenschen –, wenn man einen „Migrationshintergrund“ hat. So wie „Joachim Deutschland“ alias Christof Johannes Joachim Faber (33), ein US-Amerikaner, der seit Jahren als Straßenmusiker in Berlin-Friedrichshain lebt. Er hat sich diesen Namen gegeben, und er singt mit Hand auf dem Herz für Deutschland. Die Kommentatoren dieses Videos sind sich fast alle einig. Daumen hoch!

Joachim Deutschland ­– Eier so groß wie Deutschland. Psychiatrie, US-Militärhaft und eine Bombendrohung. Mit Musik machte der Amerikaner seltener Schlagzeilen. Vielleicht klappt es jetzt.

www.joachimdeutschland.de

 

Bratwurststürmer

Sie nennen sich „Mission 2000 eins vier“, tragen Hemden mit Bundesadler und den drei Weltmeistersternen vergangener Titel (1954, 1974 und 1990), die über Bierbäuchen und großen Damen-Oberweiten der Hip-Hop-Kapelle spannen. Deftige Textzeilen wie „Jogi, du machst den Scheiß schon klar ...“ prägen den Titel: „Wir fahren nach Rio de Janeiro.“ Schwarz-rot-goldene Fahnen flattern im Video aus Geländewagen. Dieser Song und dessen Protagonisten sind Spiegel unserer satten Gesellschaft. Die Macher kommen übrigens aus einem Hamburger „Shirt-Store“. Man sieht und hört – sie hatten Spaß dabei.

Mission 2000 eins vier – Wir fahren nach Rio. Musikalisch sind die Jungs bisher nicht in Erscheinung getreten. Eigene Internetseite? Fehlanzeige.

 

Bitte auswechseln

Es sollte wohl so etwas wie eine Samba-Nummer werden: „Wir kommen, um ihn zu holen“, singt Stefan Raab in seinem WM-Titel, flankiert von tanzenden, braungebrannten Mädels, von denen er vermutlich glaubt, daß man sich hierzulande typische Brasilianerinnen so vorstellt. „Wir werden allen den Arsch versohlen“, tönt es unter einer ins Auge fallenden Jogi-Löw-Gedächtnisperücke hervor. Und noch einen hat er parat: „Wer in unseren Strafraum kommt, frißt Dreck.“ Ein Lied ohne Temperament und wohl geplant als Teil der „Jeder WM-Song wird schon irgendwie Geld bringen“-Maschinerie.

Stefan Raab – Wir kommen, um ihn zu holen. Seit Jahren macht die Pro7-Allzweckwaffe erfolgreiche Musik. Jetzt also der erste Stadion-Song.

www.tvtotal.prosieben.de

 

Rote Karte

Der Typ sieht aus wie eine Kopie von Andreas Gabalier, der erfolgreiche Volks-Rock’n’Roller aus der Steiermark mit gekämmter Tolle. Diese Kopie nennt sich A-Rani (so heißen viele Thai-Restaurants in Deutschland) und orgelt wenig originell: „Wir fahren nach Brasilien.“ Die gefühlt einzige Textzeile in diesem mißratenen Lied. Es genügt eben nicht, sich ein Deutschland-Trikot anzuziehen, eine Sonnenbrille aufzusetzen, auf einer besprühten Mauer zu sitzen und gebetsmühlenartig „Wir fahren nach B...“ von sich zu geben. Daß unsere Jungs dorthin fahren, steht spätestens seit dem letzten Spiel der Qualifikation im Oktober 2013 fest, als Deutschland in Schweden 5:3 gewann.

A-RANI – Wir fahren nach Brasilien. A-Rani? Bisher weitgehend unbekannter Rapper. Hat auch seine Gründe.

www.facebook.com/NLFDB

 

Dabeisein ist alles

Die Stimmchen dünn, die „Sängerinnen“ dagegen vollschlank und nicht wirklich qualifiziert. Was „JUN“ in ihrem Titel „Fußballwunderland“ abfeiern, ist etwas für Pfefferminzteetrinker, allein im Bastelkeller, wenn draußen die Sonne scheint. Dabei ist der Text nicht mal übel, sehr patriotisch: „Hebt die Hände für das Land mit Herz und Verstand...“ Aber die Musik und eben diese Damen, denen man ansieht, daß Futtern, TV und Sofa wohl eher zu ihren Leidenschaften gehören als Rasenballsport. „Was Spanien geschafft hat, schaffen wir auch“, singen sie in die Kamera. Text gut, Ausführung miserabel.

JUN – Fußballwunderland. Auf Facebook bringen es die Mädels bisher auf etwa 200 Anhänger. Auf Youtube dagegen schauten bereits 40.000 vorbei. Luft nach oben bleibt allerdings.

www.jun.de.rs

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