© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  25/14 / 13. Juni 2014

„Gefühl echter Kameradschaft“
Bundeswehr: Das Heer hat den unter Afghanistan-Kämpfern weit verbreiteten Wahlspruch „Treue um Treue“ verboten
Felix Krautkrämer

Es sind nur drei schlichte Worte, doch den Soldaten der Bundeswehr, die in Afghanistan im Einsatz waren, bedeuten sie viel. „Treue um Treue“ lautet ihr Wahlspruch, mit dem sie an die gemeinsame Zeit, die Gefechte mit den Taliban und nicht zuletzt an ihre gefallenen Kameraden erinnern. 55 deutsche Soldaten ließen bislang ihr Leben in Afghanistan. Auch auf zwei Gefallenentafeln findet sich das Motto. Zur Verärgerung des Bundesverteidigungsministeriums.

Im Februar vergangenen Jahres hieß es in einer Weisung der Abteilung Führung Streitkräfte des Ministeriums daher, die Inschrift sei „nicht geeignet, Traditionen der Bundeswehr zu pflegen oder die den Soldaten der Bundeswehr abverlangte Tapferkeit und Treuepflicht zu symbolisieren“. Vielmehr bestehe die Gefahr, der Wahlspruch könnte zu Mißverständnissen führen, „die einem würdigen Gedenken an die Gefallenen der Bundeswehr in der Öffentlichkeit abträglich sind“. Die Worte „Treue um Treue“ sollten daher auf Gedenktafeln der Bundeswehr nicht mehr verwendet werden.

Von den Soldaten wird der Wahlspruch vor allem mit einem Ereignis in Verbindung gebracht: dem Karfreitagsgefecht in dem Dorf Isa Khel nahe Kundus (JF 50/10). Ein Spähtrupp der Bundeswehr geriet dort am 2. April 2010 in einen Hinterhalt. Über Stunden lieferten sich die Soldaten heftige Gefechte mit den Taliban. Am Ende waren drei Gefallene und acht Verwundete zu beklagen. Ein Fahrzeug vom Typ Dingo geriet in eine Sprengfalle und mußte zurückgelassen werden. Die Taliban posierten später vor dem brennenden Wrack. Es war ein Foto des Triumphs.

Sechs Monate später gelang es der Bundeswehr bei einer Offensive im Verbund mit Amerikanern und Belgiern, die Taliban zurückzuschlagen. Dabei wurde auch der ausgebrannte Dingo geborgen. Soldaten befestigten ein Plakat an ihm. „Treue um Treue“ war darauf zu lesen und die Namen der drei gefallenen Kameraden: Nils Bruns, Martin Augustyniak, Robert Hartert. Der Hauptgefreite Augustyniak war während des Gefechts bereits zweimal verwundet worden. Dennoch gab er dem Dingo und seiner Besatzung mit Panzerfaust und Gewehr Feuerschutz. Treue um Treue, bis zuletzt.

Auch deshalb verbreitete sich der Wahlspruch in der Truppe. Einige Kompanien schmückten mit ihm Wände in ihren Unterkünften, und Soldaten ließen sich das Motto auf ihre Trinkbecher gravieren. Auch die Veteranen der Bundeswehr schrieben sich „Treue um Treue“ auf ihre Fahnen. Sehr zum Mißfallen der militärischen Führung. Per Erlaß vom 6. Mai untersagte nun der Inspekteur des Heeres, Bruno Kasdorf, die Verwendung des Wahlspruchs „für das Deutsche Heer im dienstlichen Umfeld in jeglicher Form“. Kasdorf hatte zuvor ein Gutachten in Auftrag gegeben, das prüfen sollte, ob „Treue um Treue“ geeignet sei, die „Traditionen der Bundeswehr“ zu pflegen. Das Ergebnis fiel negativ aus: „In heutiger Wahrnehmung und in der Geschichte deutscher Streitkräfte ist der Wahlspruch im wesentlichen durch die Verwendung als Motto der Fallschirmjägertruppe der Wehrmacht geprägt worden und mit dieser verbunden“, heißt es in der Weisung, die der JUNGEN FREIHEIT vorliegt. Ein Sprecher des Kommandos Heer bestätigte den Vorgang. Der Spruch „Treue um Treue“ sei nicht geeignet, „Traditionen der Bundeswehr zu pflegen und in diesem Zusammenhang Treuepflicht zu symbolisieren“. Er erinnere zu sehr an die Fallschirmjäger der Wehrmacht, weswegen seine Verwendung im Heer untersagt worden sei, teilte er auf Anfrage mit.

Johannes Clair kann über den Vorgang nur den Kopf schütteln. Der ehemalige Bundeswehrsoldat hat kein Verständnis für die Entscheidung. Als Fallschirmjäger war der Stabsgefreite von 2010 bis 2011 in Afghanistan und nahm an der Operation „Halmazag“ (Blitz) teil, während der auch der Dingo zurückerobert wurde. Clair weiß, was es bedeutet, wenn scharf geschossen wird. „Uns hat dieses Motto in einer Situation geholfen, in der es um Leben und Tod ging. Darin steckt, daß sich jeder auf den anderen verlassen kann, ein Kamerad für den anderen da ist und umgekehrt. Dieser Spruch drückt das Gefühl echter Kameradschaft aus“, erzählt er der JF. Seine Erlebnisse hat Clair in dem Buch „Vier Tage im November“ aufgeschrieben. Der Wahlspruch hat für ihn nichts mit dem Dritten Reich zu tun. „‘Treue um Treue’ hat in Deutschland eine lange militärische Tradition, die weit in die Zeit vor dem Nationalsozialismus zurückreicht. Und mit dieser Tradition haben wir uns identifiziert.“

Überhaupt sei es schwierig, sich heute als Soldat einen Wahlspruch zu geben, der von Bundeswehr und Politik als unbedenklich angesehen werde, unter dem sich aber auch die kämpfende Truppe wiederfinde. „Was sollen wir denn statt dessen sagen? Ey, Digga, wir sind treu?“

Foto: Auf dem Veteranentag Ende Mai in Berlin: „Was sollen wir denn statt dessen sagen?“

 

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