© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  24/14 / 06. Juni 2014

Thalers Streifzüge
Thorsten Thaler

Die Schlagzeile schreit mich vom Kiosk an: „Logo-Verbot für Hells Angels!“ titelte Deutschlands immer noch größte Boulevardzeitung vergangenen Freitag. Andernorts lese ich: „Polizei rückt Höllenengeln auf die Kutten“ (Neue Presse) und „Jetzt greift Berlin gegen die Brutalo-Rocker durch“ (Focus Online). Aus allen Subtexten spricht die Genugtuung, daß der Staat es denen endlich mal zeigt. Diese doppelte Fragwürdigkeit – das staatliche Verbot und die Einheitsmeinung dazu – erzürnt mich, treibt mich zur Weißglut. Merke: „Auch wenn alle einer Meinung sind, können alle unrecht haben.“ (Bertrand Russell, Sceptical Essays, 1917)

Hintergrund: Die Staatsanwaltschaft Berlin hat den Hells Angels per Verfügung verboten, ihre Abzeichen und den Schriftzug in der Öffentlichkeit zu tragen oder zu zeigen. Das Verbot betrifft den geflügelten Totenkopf und Schriftzüge an den Clubhäusern. Für die Umsetzung wurde den Rockern eine Frist von vier Wochen eingeräumt. Danach drohten bei einer Mißachtung des Verbots Bußgelder, im Wiederholungsfall sogar Haftstrafen von bis zu einem Jahr.

Der Entscheidung vorausgegangen war ein Revisionsurteil des Hanseatischen Oberlandesgerichts vom 7. April dieses Jahres (Az.: 1-31/13). Die Richter bestätigten die Verurteilung eines Hamburger Mitglieds der Hells Angels, der in der Öffentlichkeit eine ärmellose Jeansweste getragen hatte, auf deren Rückseite der „stilisierte weiße Totenkopf mit rechtsschwingenden Engelsflügeln“ und ein„halbkreisförmig nach unten gebogener Aufnäher mit dem in roten Großbuchstaben auf weißem Grund dargestellten Schriftzug ‘Hells Angels’“ angebracht waren. Diese Symbole seien identisch mit den Kennzeichen des bereits 1983 bundesweit ersten verbotenen Charters des Rockerclubs. – In Berlin soll das Abzeichen-Verbot nun für alle Hells Angels gelten.

Audiatur et altera pars – Auch die andere Seite ist anzuhören: Ich rufe „Django“ an, den Pressesprecher der Hells Angels. Das Urteil des OLG Hamburg hält er für „reine Willkür“, mit einem Rechtsstaat habe das nichts zu tun. Zum Emblem-Verbot in Berlin sagt er, es sei „absolut sicher“, daß die Hells Angels dagegen rechtlich vorgehen werden, „notfalls bis vor den Europäischen Gerichtshof“. Auf meinen Einwand, das könne sich aber Jahre hinziehen, und die Frage, ob bis dahin Berlin zur Hells-Angels-freien Zone werde, lacht Django nur: „Wenn ein Politiker glaubt, damit ein Problem zu lösen, sollte er nicht mit dem Kopf auf der Heizung schlafen.“

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