© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  24/14 / 06. Juni 2014

Ein Schritt in Richtung Einheitsstaat
EU: Die Bankenunion geht an den Problemen der Geldinstitute vorbei – ihre schiere Größe und Verflechtung
Fabian Grummes

Mit Ausbruch der Finanzkrise 2008 gerieten zahlreiche Banken in Schieflage, und insbesondere in den Krisenstaaten, aber nicht nur dort, mußten am Ende die Steuerzahler einspringen und für die angefallenen Verluste geradestehen. In Zypern schließlich wurden erstmals innerhalb der Eurozone auch die Gläubiger und Investoren an der Haftung beteiligt.

Im Prinzip ist es richtig, Großinvestoren und Gläubiger einer Pleitebank haften zu lassen anstatt die Steuerzahler. Wieso es allerdings der Bankenunion bedarf, erschließt sich nicht, denn dies wäre auch im nationalen Rahmen bei entsprechender Gesetzgebung ohne weiteres möglich gewesen. In jedem Fall wurde das Thema durch die EU-Kommission im Sommer 2012 auf die Tagesordnung gesetzt, im Herbst 2013 beschlossen, und die meisten Details wurden nun ausgehandelt – einige Fragen sind jedoch noch offen.

Im Kern besteht die Bankenunion aus drei Säulen – erstens aus der gemeinsamen Bankenaufsicht, Single Supervisory Mechanism (SSM). Formal wird diese für alle der rund 6.000 Banken in der Eurozone verantwortlich sein, tatsächlich aber wird sie nur einen kleinen Teil direkt kontrollieren. Nämlich die jeweils drei größten Bankhäuser der Mitgliedsländer der Eurozone sowie von weiteren freiwilligen Teilnehmern aus der EU. Hinzu kommen Großbanken, deren Bilanzsumme größer als 30 Milliarden Euro oder aber größer als 20 Prozent der Wirtschaftskraft des Heimatlandes ist. Insgesamt handelt es sich um rund 130 Banken, darunter 24 aus Deutschland. Der SSM wird dabei als Behörde der Europäischen Zentralbank (EZB) etabliert werden und nimmt ab November 2014 die Arbeit auf.

Als zweites ist ein gemeinsamer Abwicklungsmodus, Single Resolution Mechanism (SRM), vorgesehen, der ab dem Januar 2016 greifen soll. Dabei ist eine bestimmte Reihenfolge vorgesehen, nach der die „Haftungskaskade“ einsetzt: Zuerst sollen die Aktionäre der in Schieflage geratenen Bank zahlen, dann die Gläubiger und schließlich die Sparer ab 100.000 Euro Einlage – jene sind in einem Teilreservesystem eigentlich auch Gläubiger der Bank.

Insgesamt sollen so bis zu acht Prozent der Verbindlichkeiten über einen sogenannten Bail-in finanziert werden. Falls dies nicht ausreicht, kommt die dritte Säule ins Spiel: die Einlagensicherung namens Single Resolution Fund (SRF).

Kollaps einer Großbank kann niemand schultern

Sie soll in den kommenden zehn Jahren aufgebaut werden und ab 2024 mit 55 Milliarden Euro ausgestattet sein. Dabei werden zunächst nationale Krisentöpfe aufgebaut und diese dann nach und nach miteinander verschmolzen. Am Ende haften so auch deutsche Sparer für marode Banken im Süden. Merkels Versprechen, eine „Vergemeinschaftung von Schulden werde es nicht geben“, vom 24. März 2011 wurde nicht nur gebrochen, die Vergemeinschaftung wird auch noch auf die Banken ausgeweitet.

55 Milliarden Euro sind angesichts der im Raum stehenden Summen ein Witz. Insgesamt neun Billionen Euro Schulden verwaltet der Bankensektor in der EU, wobei ungefähr eine Billion Euro „faule“ Kredite abzuschreiben sind. Zwar kann – wenn der Fonds erschöpft ist – der Europäische Stabilitätsmechanismus (ESM) bisher nicht direkt angezapft werden, wie dies insbesondere Frankreich und Italien wünschten, sondern es muß zunächst der Weg über die nationalen Haushalte genommen werden, aber letztlich ist dies nur ein kurzer Umweg. Am Ende wird die Politik den Banken den Zugriff auf den ESM ermöglichen. Denn weder Italien noch Frankreich könnten den Kollaps einer Großbank schultern, Deutschland übrigens auch nicht.

Unter Umständen wird der ESM allerdings schon eingreifen müssen, noch bevor der SSM überhaupt seine Arbeit aufnimmt. Denn im Sommer steht der Streßtest der EZB an und mit ihm die Frage, wie mit jenen Banken verfahren werden soll, welche ihn nicht bestanden haben. Hier soll bis zum Herbst eine Lösung gefunden werden – wobei die EZB alles dafür tun wird, daß die Bilanzen der Bankhäuser einigermaßen in Ordnung sind, um nicht sofort in einen Interessenskonflikt zu geraten, wenn sie ab dem Herbst deren Aufsicht übernimmt: Schließlich muß sie dann die Bonität der Institute bewerten, an die sie zuvor kräftig Kredite ausgereicht hat.

Politische Vertiefung ist das eigentliche Ziel

Auch ist ein Bail-in problematisch, birgt er doch das Risiko einer Kettenreaktion. Als Beispiel mag die italienische Monte dei Paschi dei Siena dienen: Bei Verbindlichkeiten von 192 Milliarden Euro sind acht Prozent davon 15,4 Milliarden. Das Eigenkapital der Bank beträgt aber nur knapp sechs Milliarden Euro und dies auch nur, weil der italienische Staat einen Notkredit in Höhe von vier Milliarden Euro gewährte.

Falls die MPS abgewickelt werden müßte, könnten dadurch zum einen weitere Banken, die Aktionäre beziehungsweise Gläubiger sind, in Schieflage geraten. Vor allem aber hätte der italienische Staat als größter Gläubiger und eventueller Mehrheitsaktionär (denn die vier Milliarden werden gegebenenfalls in Aktienkapital umgewandelt) für den Löwenanteil geradezustehen. Damit geriete Italien weiter ins Wanken und müßte sich möglicherweise unter den Rettungsschirm ESM flüchten.

Das eigentliche Kernproblem des europäischen Banksektors, die im Verhältnis zum Eigenkapital viel zu großen Bilanzsummen und die höchst problematische Verflechtung untereinander, insbesondere durch die unkontrollierbaren OTC-Derivate, wird von der Bankenunion nicht gelöst. Stattdessen schafft die EU mit ihr die Rechtsbasis und die finanzpolitischen Institutionen, die vor allem der politischen Vertiefung der Union dienen.

Foto: Postbankkunde in Berlin: Deutsche Kleinsparer haften mit ihrem Geld möglicherweise für die Fehler, die ausländische Finanzmanager machen

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