© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  24/14 / 06. Juni 2014

Vom Aushängeschild zum Stolperstein
Geschichtspolitik: Erwin Rommels Geburtsstadt streitet über Gedenkstein für den Generalfeldmarschall
Ekkehard Schultz

Die Täter kommen in der Nacht. Blitzschnell beschmieren sie den Rommel-Gedenkstein auf dem Galgenberg im württembergischen Heidenheim mit Farbe. Dann verschwinden sie unerkannt im Dunkeln. Allein dreimal mußte das Denkmal im vergangenen Jahr für jeweils rund 3.000 Euro gereinigt werden. Auch in diesem Jahr schlugen die Täter bereits mehrfach zu, zum vorläufig letzten Mal Anfang Mai. „Weg mit der braunen Scheiße“, schmierten die Unbekannten mit roter Farbe auf den Muschelkalk-Quader. Den Schriftzug „Generalfeldmarschall Erwin Rommel“ strichen sie durch.

Die regelmäßigen Schmierereien sind nur das sichtbarste Zeichen für einen seit Jahren andauernden Streit in Heidenheim: Geht es nach dem Willen der Mehrheit der politischen Vertreter der schwäbischen Gemeinde Heidenheim soll der Gedenkstein, der vor gut 50 Jahren am Rande des Geburtsortes des legendären „Wüstenfuchses“ errichtet wurde, verschwinden. In den vergangenen acht Jahren wurde der Stein fast ein dutzendmal beschmiert und beschädigt. Als aus diesen Gründen 2008 eine umfangreiche Sanierung notwendig wurde, war dies für Kritiker ein willkommener Anlaß, zu fordern, die Erinnerungsstätte zu beseitigen.

Deutlich anders sah die Situation im Spätsommer 1961 aus, als der vom Bildhauer Franklin Pühn geschaffene Gedenkstein unter großer Anteilnahme der Bevölkerung an seinen Platz gestellt wurde. Initiator war der Veteranenbund des Deutschen Afrikakorps, der das Denkmal noch im gleichen Jahr der Stadt Heidenheim schenkte. Dies war damals durchaus in deren Interesse, galt der Name Rommel aufgrund seiner Popularität doch als ein Aushängeschild, an dem die Gemeinde gern teilhaben wollte. So war sie auch gerne bereit, die Folgekosten der Schenkung zu tragen und für die Erhaltung des Steines zu sorgen.

Geschichtswerkstatt fordert Abriß

50 Jahre später dominieren hingegen im Heidenheimer Gemeinderat die Stimmen, die den Gedenkort als Last empfinden. In historischer Hinsicht berufen sich die Kritiker dabei gern auf die Ausstellung „Mythos Rommel“ von 2009, in der vor allem auf die „Hitlertreue“ des Generals hingewiesen und eine Rolle Rommels innerhalb des deutschen Widerstandes bestritten wurde. Auch wenn Rommel „kein fanatischer Nationalsozialist gewesen“ sei, bestünde keinerlei Anlaß, einen hohen Wehrmachtsoffizier zu ehren, so der Tenor. Von einem „nicht mehr zeitgemäßen“ Gedenken war die Rede.

Zu den eifrigsten Gegnern des Rommel-Denkmals zählt die Geschichtswerkstatt Heidenheim. Bereits im Frühjahr 2010 wandten sich deren Mitglieder an Oberbürgermeister Bernhard Ilg (CDU) mit der Forderung, den Gedenkstein zu entfernen und ihn durch ein „Denkmal für die Widerstandskämpfer des Nationalsozialismus“ zu ersetzen.

„Entfernung wäre historisch unlauter“

Da ihr radikaler Appell in der Stadtverwaltung zunächst wenig Beifall fand, startete die Initiative mehrfach sogenannte Verhüllungsaktionen. „Kein Denkmal für den Nazi-General“ prangte dabei auf schwarzen Stoffbahnen, mit denen das Denkmal eingepackt wurde. OB Ilg strebte unterdessen einen Kompromiß an und schlug die „Umwandlung des alten Denkmals zu einem Mahnmal“ vor. So sei es „historisch falsch, den Umgang mit Rommel aus der Erinnerung streichen zu wollen“. Zwar würde in Heidenheim heute „nie und nimmer“ mehr „so ein Denkmal errichtet“, sagte Ilg. Andererseits wäre „eine Entfernung historisch unlauter“, da man dann der Stadt „den Vorwurf machen könnte, als habe es nie ein Denkmal für Rommel gegeben“. Daher müsse die Stadt auch dazu stehen, daß sie dem General einst einen Stein gesetzt habe. Gleichwohl stelle der Gedenkstein ein „ernsthaftes Problem“ dar, wenn der Kontext nicht hinterfragt werde, glaubt Ilg.

Ob ein solcher Weg jedoch letztlich umsetzbar ist, muß bezweifelt werden. Zwar wurde 2013 vom Gemeinderat eine Arbeitsgruppe ins Leben gerufen, die sich die Idee „Mahnmal statt Denkmal“ auf die Fahnen geschrieben hatte. Tatsächlich dominierten innerhalb der Arbeitsgruppe jedoch von Anfang an die Gegner, zumal sich an dem Treffen trotz Einladung Vertreter der CDU und der Freien Wähler nicht beteiligten. Dagegen nutzten SPD, Grüne sowie die Linke/DKP-Fraktion den ihnen überlassenen Spielraum. So überraschte das Ergebnis der Arbeitsgruppe nicht, die letztlich einstimmig für einen Abriß votierte. Damit ist auch der von Ilg erstrebte Kompromiß generell in Frage gestellt.

In Anbetracht dieser Situation stellte die Bundesgeschäftsführerin des einstigen Denkmal-Initiators, des Verbands Deutsches Afrikakorps, im Nachgang fest, „daß die Diffamierung der Person Erwin Rommel weit über das gesunde Maß hinausgeht“. Sie komme abschließend zur Erkenntnis, daß die Stadt Heidenheim des Gedenkens an Erwin Rommel „nicht würdig“ sei und ihr Verband das Denkmal 1961 nicht in die Obhut der Stadt hätte geben dürfen.

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