© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  23/14 / 30. Mai 2014

„Prüf dein Privileg“
USA: Linke Campus-Aktivisten haben eine neue Methode entdeckt, über vermeintlichen Rassismus aufzuklären / Erstmals regt sich nun Widerstand
Thorsten Brückner

Haben Sie heute schon Ihre Privilegien geprüft? Sind sie weiß? Männlich? Am Ende gar heterosexuell? Ganz schlecht, Test nicht bestanden. Ihre gesellschaftliche Existenz besteht offensichtlich nur auf unverdienten geerbten Privilegien, mit denen Sie andere unterdrücken.

„Check your privilege“ ist der neueste Slogan linker Campus-Aktivisten und Sozialingenieure in den USA, um Diskussionen mit politisch Andersdenkenden abzukürzen. Besonders die angeblichen Privilegien der weißen Mehrheit haben es linken Aktivisten dabei angetan. Ihre Definition von „white privilege“: Jeder Weiße hat qua Geburt einen Vorteil gegenüber einem Afroamerikaner, ungeachtet des ökonomischen Hintergrunds. Ein Weißer aus einer ärmlichen Arbeiterfamilie hat demnach nur aufgrund seiner Hautfarbe einen besseren Start ins Leben bekommen als der Sohn eines schwarzen Arztes.

Salonfähig machten dieses Narrativ nun in den letzten Wochen ausgerechnet eine Reihe prominenter evangelikaler Theologen. Greg Boyd, Pastor der Woodland Hills Gemeinde in St. Paul, wandte sich in einem Blogbeitrag an seine Follower-Gemeinde und legte eine Generalbuße ab: „Ich habe erst jetzt verstanden, daß mein Blick auf die Welt immer aus der Perspektive eines Weißen war“, gab sich Boyd reumütig. Den weißen Christen, die noch nicht zu dieser Einsicht gelangt seien, warf er vor, „systeminhärenten Rassismus“ nicht erkannt zu haben. Das Haupthindernis, die Pyramide der weißen Vorherrschaft zu dekonstruieren, bestehe darin, daß Weiße nicht begriffen, wo sie sich befinden, und daß ihre auf Unterdrückung ausgerichtet Gesellschaftsform sie in diese privilegierte Situation gebracht habe. In Jesu Namen: Amen!

Andere evangelikale Theologen wie der auch international angesehene Calvinist John Piper stimmten in den Chor mit ein. Piper selbst provozierte vor Jahren mit der Ankündigung, in seiner Gemeinde bevorzugt schwarze Mitarbeiter einzustellen. Eine Art „affirmative action“ mit geistlicher Absolution. Mit einzelnen Bekundungen reumütigen Selbsthasses geben sich echte „White Privilege“-Aktivisten aber nicht zufrieden.

Weiße Studenten bekennen ihre rassistischen Vorurteile

Die in diesem Jahr an der Universität von Wisconsin abgehaltene jährliche „White Privilege“-Konferenz, die neben der Stadt Madison von verschiedenen Kirchgemeinden und linken Organisationen veranstaltet und mit Steuergeldern alimentiert wurde, hat sich zum Ziel gesetzt, unter Schülern und Studenten das Bewußtsein eines „systeminhärenten weißen Rassismus“ zu schaffen. 2.500 Teilnehmer, in ihrer Mehrheit jung und weiß, lauschten Vorträgen, warum Weiße nie Opfer von Rassismus werden können und Präsident Barack Obama lediglich das schwarze Feigenblatt eines immer noch von Weißen getragenen Systems sei.

Der feierliche Höhepunkt der Konferenz: weiße Jugendliche, die in einer Art Altarruf vor allen Konferenzteilnehmer bekennen, bisher Rassisten gewesen zu sein, denen die Konferenz aber die Augen geöffnet habe.

Lange haben weiße Amerikaner mit Blick auf die rassistische Geschichte des Landes beschämt zu den Kollektivschuldvorwürfen geschwiegen. Nun scheint sich das Blatt erstmals zu wenden. Einem Studenten der renommierten Princeton-Universität riß kürzlich der Geduldsfaden. In der Universitätszeitschrift Princeton-Tory veröffentlichte der Studienanfänger Tal Fortgang einen Beitrag, der wenige Wochen später vom renommierten Time Magazine nachgedruckt wurde und dem Studenten der Politikwissenschaft sogar eine Einladung zum größten Kabelnachrichtensender des Landes, Fox News, einbrachte. Ihm als Weißen sei von Kommilitonen und Dozenten immer wieder vorgehalten worden, er solle seine Privilegien überprüfen, erzählt er. „Also bin ich ihrem Ratschlag gefolgt“, sagte Fortgang, der zu dem Schluß kommt: „Vielleicht ist es mein Privileg gewesen, daß mein Großvater aus Polen fliehen mußte, als die Nazis dort einmarschierten.“ Daß sie ohne Geld und Englischkenntnisse in ein Land gekommen seien, in dem sie sich „nur durch harte entbehrungsreiche Arbeit nach oben gearbeitet“ hätten. Der Charakter seines Großvaters und seines Vaters seien sein Privileg, nicht deren Hautfarbe, betont er. Allen, die in seinen Zeilen Rassismus wittern, schreibt er ins Stammbuch: „Ihr wißt nicht, was ein Mensch in seinem Leben alles durchgemacht hat.“

Die Phrase „Check your privilege“, die ihn vom Individuum zum Mitglied einer bestimmten ethnischen Gruppe abstempele, sieht Fortgang daher „hart an der Grenze zum Rassismus“. Daß linke Bürgerrechtler bei solchen Zeilen Schnappatmung bekommen, darf nicht überraschen. „Ich war so schockiert über seinen Essay, in dem er ja schreibt, daß er seine Privilegien überprüft habe. Aber nach dem Lesen stellte ich fest, daß er am Ende eben nicht in der Lage war, sich seiner eigenen Privilegien bewußt zu werden“, beklagte die Projektmanagerin der Black Student Union der Universität Princeton, Briana Payton, in der New York Times.

Sozialstaatsindustrie braucht schwarze Opfer

Die Logik ist dabei nicht zu übertreffen: Die Existenz eines „white privilege“ ist für Payton und ihre Mitkämpfer ein nicht zu bestreitender Fakt, die Prämisse jeder weiteren Diskussion. Wer das anders sieht, dessen Weltanschauung muß zwangsläufig noch von rassistischen Denkmustern geprägt sein.

Unterstützung erhält Fortgang jedoch gerade von schwarzen Bloggern. Bemerkenswert ist die Reaktion der konservativen Afroamerikanerin Kira Davis, deren Youtube-Kurzvideos teilweise über eine Million Mal aufgerufen werden. Die Phrase „white privilege“ ist für sie der „Klimawandel der Gesellschaftspolitik“. So vage und sachlich unfundiert, daß man schwer Argumente dagegen halten könne. Statt von weißem oder männlichem Privileg zu sprechen, was Spaltung unter den Menschen hervorrufe, schlägt sie den Amerikanern vor, sich auf das Privileg zu besinnen, das sie alle eint: „Wenn ihr in diesem Land geboren seid, egal ob schwarz, weiß, arm oder reich, seid ihr dem Rest der Welt fünf Schritte voraus. Laßt uns doch lieber von ‘American privilege’ sprechen“, ruft sie ihren Zuschauern zu.

Stacy Washington, eine bekannte schwarze Bloggerin und TV-Expertin mit Emmy-Nominierung, pflichtet ihr bei. Die „White Privilege“-Konferenz bezeichnet sie als „schockierend und abstoßend“. „Mein Großvater ist im tiefen Süden als Schwarzer aufgewachsen; aber er hatte eine hohe Arbeitsethik und hat es als Lehrer an eine Schule geschafft, die vor allem von Weißen besucht wurde.“ Den Pauschalvorwurf, daß Schwarze heute noch allein aufgrund ihrer Hautfarbe diskriminiert würden, so Washington, hätte er genauso zurückgewiesen wie ihre Mutter, die als Baumwollpflückerin aufgewachsen sei und nun einen Managementjob habe. „Nach euren Vorstellungen existieren die Errungenschaften meiner Familie gar nicht“, klagt sie an.

Worum es den Machern der „White Privilege“-Kampagne geht, ist offensichtlich. Schwarze, die sich als unterdrückte Opfer fühlen, und die glauben, den gesellschaftlichen Aufstieg aufgrund rassistischer Barrieren nicht aus eigener Kraft schaffen zu können, verlieren ihren Antrieb und flüchten in die Arme der Sozialstaatsindustrie. Da paßt es bestens, daß Präsident Obama, der Messias vieler Afroamerikaner, gerade dabei ist, diesen Sozialstaat auf europäische Dimensionen aufzublasen.

Daß es den Aktivisten nicht um die Rechte von Minderheiten geht, mußte gerade Kira Davis schon am eigenen Leib erfahren: Als sie am Rande der „Democratic National Convention“ 2012 in Charlotte ein öffentliches Forum des linken Fernsehsenders MSNBC betrat, wurde sie als konservative Aktivistin von den mehrheitlich weißen Mitarbeitern des Senders zum Verlassen des Geländes aufgefordert. Zuvor hatte der Sender noch verkündet, die Unterstützung für Präsidentschaftskandidat Mitt Romney unter Schwarzen gehe gegen null. Schwarze, die es aus eigener Kraft geschafft haben, im Leben erfolgreich zu sein und sich nun auch noch als Konservative zu erkennen geben, passen nicht in das Bild weißer Ostküstenliberaler. Harte Arbeit und der Glaube an den Aufstieg statt Quoten und Förderprogramme: die Antithese zur linken Ideologie.

Foto: Arme, kinderreiche Familie auf ihrem alten Auto in Atlanta: Bessere Voraussetzungen als schwarze Oberschicht?

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