|
© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 23/14 / 30. Mai 2014
Aufruf zum Kulturschutz Im Rahmen einer Jubiläumsedition zum 250. Jahr seines Verlagsbestehens offeriert C. H. Beck auch Hansjörg Küsters zuerst 1995 erschienene „Geschichte der Landschaft in Mitteleuropa“ in der überarbeiteten Auflage von 2011. Küsters Buch ist eine Fortführung und Erweiterung im Sinne des legendären britischen Klassikers von 1955 „The Making of the English Landscape“. Das Werk von W. G. Hoskins ist ebenfalls 2013 neu aufgelegt worden. Eine deutsche Übersetzung steht immer noch aus. Küster beschreibt aus der Sicht des Geobotanikers, wie seinerzeit Hoskins als Regionalhistoriker, die Formung einer Landschaft als den Fortgang ihrer Nutzung. Diese Bücher sind Fundgruben im Detail und in ihrem erzählerischen Zusammenhang beste Wissenschaftsprosa. Jeder, der sich neugierig und mit Neigung dem Thema zuwendet, kann Küsters Ausführungen folgen. Seine Verständlichkeit macht keine Kompromisse mit der Wahrheit. Folgt man der Perspektive des Autors, so wird der Abschied von der Signatur der Landschaft zum Zeichen der Selbstaufgabe des Menschen auf diesem Planeten. Dem Wissenschaftler liegt eschatologisches Pathos fern. Dem Leser aber rücken derartige Gedanken nahe, wenn er auf das letzte resümierende Kapitel „Landschaft im Wandel“ stößt. Diese Überschrift ist eigentlich euphemistisch, weil zuvor seitenlang tatsächliche Wandlungen der Erdoberfläche vom Holozän bis zur Industrialisierung abgehandelt wurden. Nun wird ein Endpunkt dieser Entwicklung deutlich. Wenn es noch eine Qualität ist, dann ist sie deutlich anders geartet als alles, was zuvor geschah. Es ist eine Entartung, im botanischen Sinne. Küster macht deutlich: Weder der menschliche Rückzug aus der Landschaft noch der Pflege-Naturschutz kann das Schwinden der Vielfalt bremsen. Sein Fazit lautet: Wer die Artenvielfalt bewahren will, „muß weniger einen konsequenten Naturschutz als einen Schutz der Landschaft und damit einen Kulturschutz betreiben.“ Diese Landschaftsenzyklopädie wird für lange Zeit der Klassiker zum Thema sein. Ihre Wirkungsgeschichte hat gerade erst begonnen. Hansjörg Küster: Geschichte der Landschaft in Mitteleuropa. Von der Eiszeit bis zur Gegenwart. C. H. Beck, München 2013, broschiert, 448 Seiten, 20 Euro |