© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  23/14 / 30. Mai 2014

Licht und Schatten in Flandern
Parlamentswahl in Belgien: Während Bart de Wevers Neu-Flämische Allianz ob des Sieges jubiliert, herrscht beim Vlaams Belang Katerstimmung
Mina Buts

Solch ein Debakel stand nicht auf dem Plan des EU- und islamkritischen Vlaams Belang (VB): Etwa 70 Prozent Wählerstimmen weniger erhielt die Partei am Wochenende. In Belgien wurde am Sonntag nicht nur das Europaparlament, sondern auch das belgische Parlament gewählt. Die Zahl der Mandatsträger des VB im flämischen Parlament hat sich von 21 auf sechs dezimiert, im belgischen Parlament wird es künftig statt zwölf nur noch drei VB-Abgeordnete geben.

Selbst der Parteivorsitzende Gerolf Annemans mußte bis zum späten Abend bangen, ob er überhaupt ein Mandat im Europaparlament erhalten würde. Weder Bruno Valkeniers, der ehemalige Parteivorsitzende, noch Joris van Hauthem, bislang Fraktionsvorsitzender, sind künftig im Parlament vertreten. Philip Claeys, bislang Europaabgeordneter und einer der intellektuellen Vordenker der Partei, twitterte, er müsse sich nun erst einmal an den Gedanken gewöhnen, arbeitslos geworden zu sein.

Neben dem Verlust an Wählern und Mandaten wird die Partei der jetzt einsetzende Rückbau des Parteiapparats schmerzen – private Parteispenden sind in Belgien verboten. Einige ehemalige Abgeordnete haben schon angekündigt, sich von der politischen Arbeit komplett zurückzuziehen. Die Verjüngung der Partei, schon im vergangenen Jahr begonnen, hat bislang keinen Effekt gezeigt. Annemans kündigte jedoch an, vorerst im Amt bleiben zu wollen, gleichzeitig deutete er aber an, daß es noch in diesem Jahr Veränderungen geben werde.

Filip Dewinter, einer der drei Gewählten für das belgische Parlament, gab sich am Morgen nach der Wahl schon wieder kämpferisch: „Das ist sicher unser absoluter Tiefpunkt, aber von jetzt an kann es nur noch aufwärts gehen.“ Und weiter: „Ich habe nicht vor, das Handtuch zu werfen. In fünf Jahren sind wir wieder da.“

Die Wählerwanderungen bei dieser Wahl sind eindeutig und schnell auszumachen. Während in Wallonien traditionell die Sozialisten (PS) stark blieben, die Stimmenanteile der traditionellen Parteien sich ebenfalls kaum änderten, profitierte einzig die nationalkonservative N-VA (Neu-Flämische Allianz) von den Stimmenverlusten des Vlaams Belang. Viele Anhänger der flämischen Unabhängigkeitsbewegung sahen ihre Stimme dort offenbar wirksamer aufgehoben.

Bart de Wever, Spitzenkandidat der Partei, holte in Flandern mit der N-VA 32,7 Prozent der Wählerstimmen. Auch im gesamten Königreich liegt N-VA mit 20,3 Prozent an der Spitze. Im Vergleich zu den vorigen Wahlen ist das noch einmal ein deutlicher Zugewinn.

Die Crux: Schon bei der Wahl 2010 war die N-VA stärkste Partei und dennoch nicht an der Regierung des Landes beteiligt. Auch diesmal ist nicht davon auszugehen, daß sich in Wallonien eine Partei findet, die mit der N-VA, die sich zumindest als Fernziel die Eigenständigkeit Flanderns auf die Fahne geschrieben hat, zusammenarbeiten will. Bei der Formierung der gesamtbelgischen Koalition könnten also erneut Christ- und Sozialdemokraten plus Liberale aus beiden Landesteilen die Regierung formen und die N-VA erneut ausbooten.

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