© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  22/14 / 23. Mai 2014

Bald ist überall Wüste
„Steueroasen“: Die G10-Staaten schließen die letzten Schlupflöcher für Sparer / Überall soll abkassiert werden
Joachim Feyerabend / Ronald Gläser

Deutsche Finanzämter verschicken derzeit massenhaft Aufforderungen an Inhaber ausländischer Konten, von denen sie durch die Steuer-CDs erfahren haben. „Wenn Sie nicht reagieren, entscheiden wir nach Aktenlage“, heißt es in dem Standardbrief eines Berliner Finanzamtes in trockenem Beamtensprech.

Die Emfänger dieser Briefe sind dann oft gezwungen, sich von der Bank, die das Konto führt oder geführt hat, eine Bestätigung über sämtliche Transaktionen anfertigen zu lassen. Und das kostet.

Für Banken und den Staat ein großes Geschäft

Die Credit Suisse etwa nimmt von einem Kunden, der seine Kontounterlagen nicht vollständig hat, Bearbeitungsgebühren, die es in sich haben: 750 Franken (600 Euro) kostet das „Steuerpaket 1“, das nur die Kontoauszüge für zehn zurückliegende Jahre enthält. Das „Steuerpaket 2“ mit den Depotaufstellungen kostet 2.000 Franken (1.600 Euro).

„Deutsche Steuerbehörden geben sich in der Regel nicht mit dem Steuerpaket 1 zufrieden“, belehrt eine Bankangestellte ihre Kunden. Ein halber Monatslohn für einen alten Kontoauszug. Im Fall der Credit Suisse kommt hinzu, daß die Bank 2011 die Kontoführungsgebühren auf etwa 50 Euro pro Monat erhöht hat – wegen der Mehrkosten durch das Steuerabkommen mit Deutschland. Für die Bank und die deutschen Finanzämter ist das ein großes Geschäft.

Gier! Mit diesem Vorwurf sind Politik und Medien schnell bei der Hand, wenn Bürger ein Konto im Ausland führen. Über die Motive von Staat und Banken wird dabei nur selten gesprochen. Oft sind es aber berechtigte Motive der Kontoinhaber, ihr Geld nicht bei deutschen Instituten anzulegen: Daseinsvorsorge, Sicherung kleiner und mittlerer Betriebe vor wirtschaftlichem Niedergang, Fluchtgroschen für einen Neuanfang. Die Grüne sind vielfältig.

Neben Mittelständlern, Medizinern, Industriellen und Künstlern beherbergt die manchmal hochkarätige Klientel auf der Flucht vor dem Fiskus auch Adelssprosse in ihren Reihen. So hat unlängst ein Gericht der spanischen Insel Mallorca Prinzessin Cristina von Spanien wegen Steuerbetrugs und Geldwäsche angeklagt.

Viele Geschäfte verlagerten sich nach Singapur

Damit könnte erstmals einem Mitglied der königlichen Familie der Prozeß gemacht werden. Auch führende Parteikader Chinas, ihre Verwandten sowie Wirtschaftsfunktionäre des kommunistischen Landes verwalten ihre Vermögen mit Scheinfirmen in Steueroasen auf der ganzen Welt. Es sollen jährlich über 70 Milliarden Euro sein.

Die Praxis, daß helvetische Banken nach dem massiven Angriff des deutschen und amerikanischen Fiskus auf ihre Verschwiegenheit mit dem Aufkauf gestohlener Kontounterlagen die Anlagen der Flüchtlinge nach Singapur verlagerten, entfällt mit den neuesten Entwicklungen nun auch.

Und es wird immer schwieriger, sich in dieser gläsernen Welt ein sicheres Polster zu schaffen – ein Urbedürfnis des Menschen seit Urzeiten, als beispielsweise jahrhundertelang Gutsherren die Ernten der Bauern mit Gewalt abkassierten. Selbst die in Finanzfragen konservativen Briten kündigten Anfang Mai an, daß sich ihre Niedrigsteuer-Kolonien und Überseegebiete wie Bermuda, Cayman Islands, British Virgin Islands (Jungferninseln), Anguilla, Montserrat, die Turks und Caicos, aber auch die in der Irischen See gelegene Isle of Man am automatischen Informationsaustausch von Bankdaten beteiligen werden. Aufrecht bleibe das Bankgeheimnis jedoch auf den Kanalinseln Jersey und Guernsey.

Angeführt wurde bislang das Ranking der Top-Länder für Sparer von der Schweiz. Es folgten Luxemburg, Hongkong, die karibischen Kaimaninseln und Singapur. Neu in der Liste war der Libanon. Das linke Tax Justice Network zählt aber auch große Industrienationen darunter Deutschland, die Vereinigten Staaten und Japan, ebenfalls zu den Ländern, in denen Geld in größeren Mengen gewaschen und Steuern hinterzogen werden.

Trotz aller Anstrengungen, ein Schlupfloch vor allem für den Bankplatz Schweiz aber bleibt: Noch können sich Anleger hinter Briefkastenfirmen in anderen Oasen verstecken, die dann als Kontobesitzer auftauchen. Da diese Scheinunternehmen keiner echten Person zuzuordnen sind, entfällt die Meldung an ein Finanzamt. Nur die Schaffung eines transparenten globalen Unternehmensregisters könnte auch diesen Fluchtweg verstopfen.

Steuergewerkschafter: Bald kaum noch Steueroasen

Thomas Eigenthaler, Chef der deutschen Steuergewerkschaft, bleibt trotz des Erfindungsreichtums der Branche optimistisch: „Wer jetzt noch unversteuerte Kapitalanlagen in Betracht zieht, muß entweder wirklich hartgesotten sein – oder nicht sehr intelligent.“

Er verkennt, daß Banken und Anleger immer wieder neue Wege schaffen, die bestehenden Gesetze in den einzelnen Staaten zu umgehen. Ganz legal ist das oft nicht. Viele Kleinsparer allerdings wollen verhindern, daß ihr Vermögen mehrfach besteuert wird (Erbschaftssteuer, Schenkungssteuer, Grundstückssteuer, Kapitalertragssteuer und so weiter).

 

Gesetze gegen Steuerhinterziehung

In Deutschland werden Steuerhinterzieher vor allem nach Paragraph 370 der Abgabenordnung verurteilt. Dieser sieht in der Regel eine Geldstrafe beziehungsweise eine Haftstrafe von bis zu fünf Jahren vor. In besonders schweren Fällen beträgt die Höchststrafe zehn Jahre Gefängnis. Allein 2012 führten Steuerdelikte zur Einleitung von 15.984 Strafverfahren für die insgesamt 1.937 Jahre Freiheitsstrafen verhängt und Geldbußen von 121,1 Millionen Euro fällig wurden. Zwischen 2003 und 2012 lag die Zahl der abgeschlossenen Steuerverfahren bei 352.781. Dabei flossen dem Fiskus ingesamt 18 Milliarden Euro zu. Im Vergleich zum mutmaßlichen Schaden von 30 bis 130 Milliarden Euro im Jahr allerdings nimmt sich die Zahl vergleichsweise klein aus. Mit dem Kauf sogenannter Steuer CDs nahm im vergangenen Jahr auch die Zahl der Selbstanzeigen in Deutschland zu. In manchen Bundesländern verdreifachte sich ihre Zahl. Spitzenreiter hierbei sind Baden-Württemberg (6.292), Nordrhein-Westfalen (4.509), Bayern (3.973), Rheinland Pfalz (3.241) sowie Niedersachsen (2.862).

Foto: Weltweite aktuelle und ehemalige Steueroasen: Immer mehr Länder tauschen die Bankdaten ihrer Bürger aus

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