© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  22/14 / 23. Mai 2014

Zwischen Reichstag und Kanzleramt
Rückkehr in Raum 4.900
Marcus Schmidt

Sebastian Edathy könnte schon bald in den Bundestag zurückkehren. Zuletzt wurde der ehemalige SPD-Abgeordnete hier Anfang Februar gesehen. Am 7. Februar legte er dann völlig überraschend sein Mandat „aus gesundheitlichen Gründen“ nieder. Wenig später erfuhr die Öffentlichkeit den Grund: Polizei und Staatsanwaltschaft durchsuchten wegen des Verdachts des Besitzes von Kinderpornographie Edathys Wohnungen im niedersächsischen Rehburg und Berlin sowie seine Büroräume.

Seitdem ist Edathy untergetaucht. Er halte sich im Ausland auf, heißt es. Zurückkehren könne er nicht. Er habe telefonische Morddrohungen erhalten und fürchte um sein Leben, sollte er jetzt zurückkehren, teilte er Ende Februar dem Spiegel mit.

Auch ein Vierteljahr später sind im Fall Edathy, der die Große Koalition an den Rand des Abgrundes geführt hat und Landwirtschaftsminister Hans-Peter Friedrich (CSU) den Job kostete, noch viele Fragen offen. Auf den Fluren des Bundestages wird nach wie vor gerätselt: Hatte Edathy einen Informanten, der ihn über das drohende Ermittlungsverfahren informiert hat?

Diese und andere Fragen sollen nun endgültig geklärt werden. In der vergangenen Woche haben sich Grüne und Linkspartei auf einen gemeinsamen Antrag zur Einsetzung eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses geeinigt. Das sechsköpfige Gremium soll klären, wer im Fall Edathy wann was wußte und wer welche Informationen wann an wen weitergegeben hat. Noch vor der Sommerpause soll das Gremium seine Arbeit aufnehmen. Prominentester Name auf der Zeugenliste: Sebastian Edathy. Der Ex-Abgeordnete hat bereits erklärt, er wolle aussagen.

Nicht unwahrscheinlich, daß Edathy daher schon in wenigen Wochen im Raum 4.900 des Paul-Löbe-Hauses Platz nimmt, in dem in der Regel die Untersuchungsausschüsse tagen. Er kennt diesen „Europasaal“, von dem man einen schönen Blick auf die Spree hat, nur zu gut. Hier tagte zwischen Januar 2012 und August vergangenen Jahres unter seinem Vorsitz der NSU-Untersuchungsausschuß.

In dieser Zeit lieferte sich Edathy einen legendären Schlagabtausch mit einem Spitzenbeamten, der auch jetzt wieder auf der Zeugenliste steht: BKA-Präsident Jörg Ziercke. Seine Behörde war im Zuge der Edathy-Affäre ins Zwielicht geraten. So wurde bekannt, daß die Ermittler bereits im Herbst 2011 aus Kanada eine Liste mit den Namen mutmaßlicher Besteller von Kinderpornographie aus Deutschland erhalten hatten. Darunter war auch Sebastian Edathy. Doch warum, so muß sich Ziercke seitdem fragen lassen, begann seine Behörde erst im Oktober 2013 gegen den damaligen SPD-Angeordneten vorzugehen?

Seine bisherigen Erklärungsversuche vor dem Innenausschuß des Bundestages, der ihn mehrfach vorgeladen hatte, haben die Opposition nicht überzeugt. Immer noch steht der Verdacht im Raum, der damalige NSU-Ausschußchef Edathy sei vom BKA bewußt geschont worden, um einen Skandal zu vermeiden – oder um ihn unter Druck zu setzen.

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