© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  22/14 / 23. Mai 2014

Rinat Achmetow. Wer ist der mächtigste aller Oligarchen inder Ukraine?
Der Pate des Donezk
Billy Six

Es ist eine Ironie der Geschichte, daß im Ukraine-Konflikt die Aktivisten beider Seiten scheitern, das gleiche Ziel zu erreichen: die Macht der Oligarchen zu beschneiden. Nicht nur die prorussischen Draufgänger, auch die Maidan-Idealisten haben das Nachsehen. Milliardäre besetzen neu vergebene Gouverneursposten – und haben die besten Chancen bei den Wahlen am Sonntag.

Der Donezker Industriebaron Rinat Achmetow, mit einem geschätzten Vermögen von 11,6 Milliarden US-Dollar der reichste aller Ukrainer, verhandelte gar mit Bundesaußenminister Steinmeier. Dem „Runden Tisch“ in Kiew blieb der Chef von etwa 300.000 Arbeitern, vor allem aus dem Kohle- und Stahlsektor, jedoch fern. Der „Pate von Donezk“, wie er in einer Wikileaks-Depesche der US-Botschaft heißt, legte sich lange nicht fest. Erst jetzt hat er sich klar auf die Seite der Kiewer Regierung geschlagen – will die Ukraine aber als föderalen Staat. Denn eine schwache Zentralregierung heißt für ihn, freie Hand zu haben. Eine Freiheit, die ihm unter Putin nicht gewiß wäre – auch wenn Rußland seit jeher wichtigster Handelspartner ist.

Achmetows Weg zum Herrscher über ein Geflecht aus mehr als hundert Unternehmen bleibt ebenso mysteriös wie beeindruckend: 1966 wird er als Sohn eines Bergmanns in Donezk geboren und wächst in schlichten Verhältnissen auf. Gegen Berichte, er habe das erste Geld in der Unterwelt verdient, geht Achmetow erfolgreich vor – er spricht lieber von seiner Zeit als Kohlehändler, Boxer und Wirtschaftsstudent. Tatsächlich sticht der adrette Tatar beim Geschacher um das privatisierte Sowjetvermögen vorerst nicht hervor. Er schließt sich einem Schutzgeld-Patron an, der 1995 durch ein Attentat stirbt – und wird dessen Erbe.

Es sind die wilden Jahre im Donbass – viele junge Männer lassen ihr Leben im Mafia-Krieg. Mit Übernahme des Fußballklubs Schachtar Donezk, dem Einstieg in die Medienbranche und Philanthropie macht Achmetow sich gesellschaftsfähig. Das Husarenstück folgt 2004: Für das größte ukrainische Stahlwerk zahlen er und der Präsidenten-Schwiegersohn schlappe 803 Millionen Dollar an den Staat. Höhere Angebote Dritter fallen unter den Tisch. Damaliger Ministerpräsident: Viktor Janukowitsch. Die Sieger der „Orangene Revolution“ machen den Handel rückgängig – und verkaufen für 4,8 Milliarden Dollar an Ausländer. Steuerfahnder gehen gegen Achmetow vor, der zeitweise das Land verläßt. Er unterstützt Janukowitsch im Streben nach dem Präsidentenamt. Mit Erfolg. Achmetow gibt Geld für die „Partei der Regionen“, sitzt 2006 bis 2012 im Parlament. Im blutigen Aufruhr 2014 läßt er den Günstling fallen – und bleibt selbst im Spiel. Mancher in Donezk verweist mit einem Schulterzucken darauf, daß der modernen US-Wirtschaft auch ein Kampf der Carnegies und Rockefellers vorausging.

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