© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  21/14 / 16. Mai 2014

Nicht geraucht, sondern gedampft
Neuer Trend: Die E-Zigarette wird als „gesunde Alternative“ zum Glimmstengel gehandelt, da sie keinen Tabak verbrennt
Henning Hoffgaard

In Frankreich und anderen Ländern ist sie längst Kult. In Deutschland dagegen ein Fall für die Interpretation von Gesetzesparagraphen. Die elektronische Zigarette sorgt für Unruhe. Immer mehr Bundesländer schreiben Bar- und Clubbesitzern vor, ob in ihren Räumlichkeiten geraucht werden darf. Das schärfste Gesetz gibt es in Bayern. Hier darf in keiner Kneipe mehr geraucht werden. Die Frage, die sich nun stellt: Ist davon auch die E-Zigarette betroffen? Das Kölner Verwaltungsgericht entschied Ende Februar: Mit einer E-Zigarette wird nicht geraucht, sondern „gedampft“.

Deswegen sei diese auch nicht vom Rauchverbot in Lokalen betroffen. Schon vor längerem wurde die Apothekenpflicht für die neue Generation von Zigaretten aufgehoben. Seitdem floriert das Geschäft. Fast jeder Tabakladen bietet die futuristisch anmutenden Geräte seitdem an. Laut mehreren Branchendiensten wird der Umsatz mit den alternativen Glimmstengeln noch in diesem Jahrzehnt den der klassischen Zigarette überflügeln.

Weder Teer noch Reizgase, kein Kohlenmonoxid

Nur, was steckt hinter der E-Zigarette? Patentiert wurde die erste Version bereits 1963 in den Vereinigten Staaten. 1967 jedoch endete die Produktion der ersten Versionen: Gegen die Tabaklobby gab es damals kein Ankommen. Noch nicht. Nun ist die E-Zigarette wieder zurück. Sie besteht heute normalerweise aus drei Hauptbestandteilen: Akkumulator, Depot und Verdampfer. Die Akkus können meist über ein USB-Kabel am Computer aufgeladen werden. Im Depot wird die nikotinhaltige Flüssigkeit eingefüllt, die dann über den sich erhitzenden Verdampfer eingeatmet wird. Der Verdampfer wird je nach Modell entweder über Knopfdruck oder durch Ziehen an der E-Zigarette aktiviert. Den „Treibstoff“ gibt es in unterschiedlichen Geschmacksrichtungen und unterschiedlichem Nikotingehalt. Geschmacklich ist von „klassischer Zigarette“ über Apfel, Birne und vieles andere fast alles möglich. Wer mag, kann sogar einen ganzen Obstsalat verdampfen. Mittlerweile gibt es sogar Flüssigkeit, die ganz ohne Nikotin auskommt. Sozusagen ein alkoholfreies Bier, das man zwischen Zeige- und Mittelfinger balancieren kann.

Der neueste Renner sind derzeit E-Zigaretten, die aussehen wie echte Zigaretten. Wird dran gezogen, „glüht“ vorne eine kleine LED-Leuchte auf und imitiert den glimmenden Tabak.

Ist das alles wirklich so viel gesünder als die klassische Zigarette? Es ist zumindest weniger schädlich. Kein Teer, keine Reizgase und kein Kohlenmonoxid. Nur das Nikotin, die Geschmacksstoffe und chemische Verstärker sind geblieben. Daß auf jedem Nachfüllfläschchen der Warnhinweis „Giftig“ prangt, zeigt allerdings, daß sich der Nutzer auch mit der E-Zigarette keinen gesundheitlichen Dienst erweist.

Dennoch ist die E-Zigarette ein erster guter Schritt, das Qualmen ganz aufzugeben. Der Nikotingehalt läßt sich steuern. So kann der Abhängige langsam die Dosis des süchtig machenden Stoffes verringern. Zumindest, wenn er das auch will. Auf der anderen Seite fällt allerdings etwas anderes weg, was vielen klassischen Rauchern das Loskommen von der Zigarette bisher erschwert hat. Die meisten Glückshormone schüttet ihr Körper nämlich beim Anzünden der Zigarette aus. Nicht beim Rauchen an sich. So wird die Sucht weiter gesteigert. Bei der E-Zigarette wird aber eben rein gar nichts angezündet.

Für Menschen, die bisher nicht rauchten, ist die E-Zigarette dagegen kein „Einstieg“ ins „echte“ Rauchen. Zuviel Equipment. Zuviel Aufwand. Wie bei der Zigarette allerdings auch ist nicht auszuschließen, daß die wahre gesundheitliche Gefahr des elektronischen Äquivalents erst in vielen Jahren ans Tageslicht kommt. Am besten bleibt also: Gar nicht erst mit dem Rauchen anfangen. So spart man Geld und vermeidet frühe Falten und kaputte Lungen. „Von der Gewalt, die alle Wesen bindet, befreit der Mensch sich, der sich überwindet.“ Wußte schon der alte Goethe.

Der Autor raucht seit sechs Monaten (fast) nur E-Zigarette.

Foto: Drei südeuropäische Schönheiten fühlen sich hip und cool mit der E-Zigarette: Der Nikotingehalt läßt sich steuern – so man denn will

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