© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  21/14 / 16. Mai 2014

Transatlantisches Freihandelsabkommen
Vorteil für deutsche Volkswirtschaft
Dirk Fischer

Das geplante Transatlantische Freihandelsabkommen wird zunehmend kritisch gesehen. 47.000 Bürger haben eine Petition gegen den auch kurz TTIP (Transatlantic Trade and Investment Partnership) genannten Vertrag unterschrieben. Laut einer von Bertelsmann in Auftrag gegebenen Umfrage sind über 50 Prozent der Befragten in Deutschland dagegen.

In einer Industrie- und Exportnation wie Deutschland ist das schwer zu verstehen. In die USA gehen nicht viel weniger als ein Zehntel der deutschen Exporte, davon sind 80 Prozent Industriegüter. Nach Frankreich sind die USA für Deutschland der wichtigste Exportmarkt.

Wie bei jedem Freihandelsabkommen soll das TTIP die Zölle senken. Diese sind mit 2,8 Prozent im Durchschnitt zwar schon niedrig, es gibt aber sektorale Spitzen, etwa in der Textil- und Automobilbranche. So zahlen deutsche Autobauer im Jahr rund eine Milliarde Euro an US-Zöllen.

Viel bedeutender ist der Abbau sogenannter nichttarifärer Handelshemmnisse (NTBs = Non-tariff barriers). Hier geht es um die gegenseitige Anerkennung von Verfahren und Zertifizierungen, die oft doppelt durchgeführt werden. So gibt es unterschiedliche Crashtests und Kontrollen von Medikamenten. Europäische Blinker sind orange, die Amerikaner blinken rot. Was sich hier anhört wie reine technische Details, ist in Wirklichkeit ganz entscheidend für die Marktchancen kleiner und mittlerer Unternehmen. Multinationale Konzerne, für die aus Kritikersicht angeblich das TTIP nur gemacht ist, haben dagegen die entsprechenden Abteilungen und kaum Vorteile vom Abbau solcher Barrieren.

Handelshemmnisse dieser Art dienen nur vorgeblich dem Verbraucherschutz, sondern schützen bestimmte Branchen vor der internationalen Konkurrenz. So fürchten die Europäer die Einfuhr von speziell desinfizierten sogenannten Chlorhühnchen, die USA haben Probleme mit europäischem Rohmilchkäse. Natürlich argumentieren die Lobbyisten der betroffenen Branchen gegenüber der Öffentlichkeit mit dem Gemeinwohl, aber die Gesundheitsschädlichkeit ist in beiden Fällen nicht nachgewiesen. Wer erinnert sich noch an die Diskussion um die Aufhebung des Reinheitsgebots für Bier? Passiert ist auf dem deutschen Markt so gut wie nichts.

Diese Handelsbeschränkungen sind zudem asymmetrisch auf die Branchen verteilt. So berechnet das Ifo-Institut, daß die europäische Chemieindustrie mit Mehrkosten von 112 Prozent für die US-Konkurrenz dreimal höher geschützt ist als umgekehrt. Dafür ist der Maschinenbau in Europa kaum reguliert, während den europäischen Exporteuren in die USA durch NTBs zusätzliche Kosten von 46 Prozent entstehen. Und das sind genau die Branchen, in denen Deutschland gerade bei mittelständischen Firmen gut aufgestellt ist für offenere Märkte.

Mit dem Freihandelsabkommen wird ein Wirtschaftsraum entstehen, der 50 Prozent der globalen Wirtschaftsleistung repräsentiert. Durch mehr Wettbewerb auf dem Markt werden langfristig die positiven Wohlfahrtseffekte überwiegen.

Besonders umstritten ist der geplante Investitionsschutz. Dieser soll Investoren vor Willkür im Partnerland schützen und Klagen vor internationalen Schiedsgerichten ermöglichen. Die Gegner sehen darin eine Entmachtung der nationalen Parlamente und Gerichte. Nun ist das Investitionsschutzabkommen ja noch gar nicht geschlossen. Es geht also nicht um das Ob, sondern das Wie. Gerade die Industrie kann Marktchancen ohne Investitionen im Ausland kaum nutzen. Investitionsschutz ist nicht nur in Entwicklungsländern notwendig, sondern auch zwischen Nationen mit ähnlich gefestigten Rechtssystemen. So hat Spanien 2007 die Übernahme des Energiekonzerns Endesa durch die deutsche Eon mit extra erlassenen Gesetzen und Auflagen verhindert. Man denke auch an die bekannten Tücken der US-Justiz, die mittelständische Investoren bisher vor einem Engagement in den USA abschrecken.

Das Transatlantische Freihandelsabkommen bedeutet mehr Wettbewerb, bei dem es in einzelnen Branchen auch Verlierer geben wird. Langfristig überwiegen die positiven Wohlfahrtseffekte. So berechnet das Ifo-Institut einen Anstieg des volkswirtschaftlichen Realeinkommens in Deutschland um 4,7 Prozent und eine Zunahme der Reallöhne um 1,6 Prozent. Dabei würden zusätzliche 180.000 Arbeitsplätze geschaffen.

Am wichtigsten ist aber, daß durch das Transatlantische Freihandelsabkommen ein Wirtschaftsraum entstehen würde, der 50 Prozent der globalen Wirtschaftsleistung repräsentiert.

 

Dirk Fischer, Jahrgang 1969, Diplom-Volkswirt sozialwissenschaftlicher Richtung und PR-Berater (DPRG), studierte Volkswirtschaft und Politikwissenschaft an der Universität Köln sowie Public Relations in Heidelberg. Er ist tätig in der Medienbeobachtung und -analyse für internationale Unternehmen.

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