© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  21/14 / 16. Mai 2014

Schönheit ist gebieterisch
Ausstellung: Skulpturen des Bildhauers Robert Metzkes im Berliner Georg-Kolbe-Museum
Sebastian Hennig

Anfang Mai war wieder einmal das Galerienwochenende in Berlin- Mitte. Überall standen die Türen lange offen und oftmals befanden sich mehr Leute in den Räumen als auf der Straße davor entlangspazierten. In der Galerie Leo Coppi auf der Auguststraße informierte der kundige Führer durch das Gestrüpp des Kunsthandels ein ausschließlich weibliches Publikum über die lebensgroßen Frauenzimmer, die Robert Metzkes aus überwiegend farbig gefaßter Terrakotta formt. Anläßlich seines sechzigsten Geburtstages wird dem Plastiker in der Stadt, in der er lebt und arbeitet, eine Doppelausstellung zuteil. Seine Galerie und das Georg-Kolbe-Museum bestreiten diese und edieren gemeinsam einen Katalog.

Die Damen erfahren nun, als Künstler habe er sich bereits in der DDR einen Namen machen können. Er zählte wie sein Vater, der unlängst 85 Jahre gewordene Maler Harald Metzkes, zu den durchaus anerkannten Kunstschaffenden im deutschen Teilstaat, ohne sich diesem in ideologischer Weise staatspolitisch wertvoll erwiesen zu haben. So weit, so richtig.

Konträr zum Zeitgeist der DDR-Kultur

Doch dann bedient sich der Cicerone des polarisierenden Kontrastmittels der gängigen Kulturideologie, indem er feststellt, daß der bäuerliche stämmige Frauentyp in seiner aufrechten Wohlgeratenheit durchaus Berührungspunkte mit den Forderungen der Doktrin des sozialistischen Realismus aufweist. Richtig ist, daß diese Doktrin ihren Künstlern letztlich sogar Klassizität eher verziehen hat, als die heutige dazu bereit ist. Unsere bunte Vielfalt und laute Blöße erträgt weder die edle Einfalt noch die stille Größe. Was kann es für die Diskurs-Athleten Schlimmeres geben als ein selbstredendes Kunstwerk.

Flugs muß dann die bare Schönheit in den papierenen Flitter der Erklärungen gehüllt werden. Hinzu kommt, daß es den Konfektionären des Kulturbetriebs bis herunter zu den Kunstpädagogen an Kenntnis oder Willen mangelt zur Differenzierung. Ein Standpunkt wie der von Robert Metzkes stand seit Beginn der achtziger Jahre völlig konträr zum Zeitgeist der DDR-Kultur. Das Pendel des sozialistischen Realismus hatte längst zurückgeschwungen.

Während zwanzig Jahre zuvor noch kleinste künstlerische Eigenwilligkeit als Merkmal spätbürgerlicher Dekadenz verschrieen wurde, dominierte unter Honecker bald der Anschluß an den westlichen Miserabilismus und Existentialismus in Form der blutigen Bühnenorgien eines Heiner Müller, den Skulpturen Geschundener von Wieland Förster (JF 4/10) und der elektro-akustischen und dodekaphonischen Kakophonie. Man wollte ja zeigen, daß man unterdessen pluralistischer als der Westen war. Kredite von dort stützten den sozialistischen Schrebergarten-Rokoko, und viele satte Vögel krächzten nunmehr anstatt zu singen. Die Behauptung natürlicher Anmut befand sich damit im doppelten Widerspruch zum Eigenbild und zur Außenwahrnehmung der DDR-Kunst. Die Arbeiten von Robert Metzkes in den Räumen auf der Auguststraße stammen zudem alle aus dem letzten Jahrzehnt.

Im Kolbe-Museum ist man dergleichen periskopische Blicke gewöhnt, die von heute über die zumeist dunkle oder mindestens schattige Vergangenheit zurück ins noch undeutbare Jetzt reichen. Als Julia Wallner vor einigen Jahren das Haus als neue Leiterin übernahm wurde sie befragt, wie sie die Wertschätzung des Werks von Georg Kolbe während der NS-Zeit ihrerseits bewertet. Sie bestand darauf, daß der Bildhauer anhaltend mit einem Thema beschäftigt war, daß damals in den Mittelpunkt der Kulturpolitik geriet und fragte zurück, wie sich denn ein Künstler verhalten solle, wenn ein Regime, dem er innerlich nicht zustimmt, ihm nun alle äußeren Würden zuerkennt für etwas, womit er seit Jahrzehnten beschäftigt ist.

Die Nieten und Banausen von heute sind sich natürlich einig, daß er alles hätte zerstören müssen, um falsche Bewunderung zu verhindern und auch fortan nichts mehr hätte schaffen dürfen, weil er sich damit zum Anwalt des Bösen gemacht hätte.

Die Gesichter sind unaufdringlich akzentuiert

Zwischen den Bronzen im Garten des Kolbe-Museums ist als einziges Frühwerk von Robert Metzkes auch die Gruppe „Herbst“ (1988) aufgestellt. Zu viert sitzen sie da, halb arkadisch, halb proletarisch. Der bekränzte Dionysos, eine Nymphe mit Teetasse geben sich ein Stelldichein mit Arbeiter und Veteran. Sie schauen von außen in den Erdgeschoßraum, wo die beschauliche Anwesenheit der lebensgroßen Skulpturen die Ruhe des Raumes steigert.

Die Figuren sind kaum je tätig. Allenfalls die theatralisch-gestikulierende Gruppe „Zu Bernarda Albas Haus“ in der Raummitte des klug angeordneten Ensembles der Ausstellung. Sonst ruhen die Hände auf den Oberschenkeln, sind vor der Brust verschränkt oder in ägyptisch majestätischer Haltung vor Bauch und Scham, wie die „Stehende in Strickkleid“ (2012). Die „Peruanerin“ hält sich wie eine griechische Wagenlenkerin und ist doch ganz gegenwärtig, zeitgenösssisch.

Die „Stehende im schwarzen Kleid“ ist eine Kore oder Persephoneia, wie man ihr im Alten Museum begegnen kann. Diese akute Ewigkeit ähnelt das Metzkessche Werk in seiner künstlerischen Auffassung dem von Gerhard Marcks. Wie dieser unter den Plastikern der Grafiker ist, so erweisen Robert Metzkes engobierte Terrakotten sich als eine malerische Erscheinung nicht nur in „Der Schal“, wo das Tuch um den Hals mit einem duftigen Blumenmuster überhaucht ist. Die Gesichter sind, wie es die elegante zeitgenössische Weiblichkeit pflegt, durch Lidstriche und Schattierungen unaufdringlich akzentuiert, die physiognomische Eigenheit steigernd. So entsteht ein Realismus der artifiziellen Schönheit unserer Gegenwart.

Eine fast metergroße Kolossalskulptur „Großer Kopf“ (2010) leitet über zu einem Raum, in dem die Werke von Metzkes sich harmonisch mit denen von Georg Kolbe verbinden. Zu dessen „Porträtmaske Mechthilde Fürstin Lichnowsky“ (1909/16) behaupten seine Frauen eine ganz selbstverständliche Verwandtschaft. Im Faltblatt überrascht die gleichermaßen selbstverständliche Feststellung: „Es ist das Weiterdenken eines Themas, das so alt ist wie die Menschheitsgeschichte selbst.“

Die Ausstellung „Robert Metzkes. Menschenbilder“ ist bis zum 9. Juni im Berliner Georg- Kolbe-Museum, Sensburger Allee 25, täglich außer montags von 10 bis 18 Uhr zu sehen. Telefon: 030 / 3 04 21 44

Der Ausstellungskatalog mit 63 Seiten mit 44 Farbabbildungen kostet 15 Euro.

www.georg-kolbe-museum.de

Foto: Robert Metzkes, Stehende im schwarzen Kleid, Terrakotta engo-biert, 2001: Malerische Erscheinung

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