© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  20/14 / 09. Mai 2014

Schüsse und offene Fragen
USA: Austauschschüler aus Hamburg erschossen
Thorsten Brückner

Der Fall ist unübersichtlich und kompliziert, aber die deutschen Medien wissen bereits ganz genau, wer schuld ist am tragischen Tod eines 17jährigen deutschen Austauschsschülers in den USA: Ein weißer Waffennarr habe den „deutschen Trayvon Martin“ erschossen. N24 spielte damit auf den Fall eines schwarzen Drogensüchtigen in Florida an, der 2012 von einem Nachbarschaftswächter in Notwehr erschossen wurde. Daß der „deutsche Trayvon“ dann auch noch türkische Wurzeln hat, paßt bestens in Bild. Laut polizeilichen Erkenntnissen war der Hamburger Diren Dede, der ein Jahr an einer High School in Montana verbrachte, nachts mit einem Freund in die halboffene Garage des späteren Todesschützen Markus Kaarma eingedrungen. Dessen Frau hat mittlerweile eingeräumt, daß ihr Mann nach zwei Wohnungseinbrüchen in den vergangenen drei Wochen einen Köder in Form einer Handtasche für einen möglichen Einbrecher ausgelegt hatte.

Was wollte der Schüler in Kaarmas Garage?

Nachdem er den Alarm hörte, rannte Kaarma demnach in die Garage und erschoß den Jugendlichen, der nach Angaben seines geflüchteten Freundes auf der Suche nach etwas zu trinken war: seine Gasteltern hätten ja auch immer eine Flasche Gatorade in der Garage stehen gehabt, zitierten ihn örtliche Medien. Daß sich Kaarma unverantwortlich verhielt, wird von allen mit dem Fall betrauten Personen eingeräumt. Ob Kaarma nun aber wie von der Staatsanwaltschaft gefordert, wegen vorsätzlicher Tötung mehrere Jahrzehnte in Haft muß, wird maßgeblich davon abhängen, ob er sich von Dede bedroht gefühlt hat. Auch spielt eine Rolle, ob er diesen vor den Schüssen gewarnt hat. Die Aussagen von Kaarma und dessen Frau sind an diesem Punkt widersprüchlich. Auch rückt eine Äußerung von Kaarmas Friseurin ihn in ein schlechtes Licht: Diese berichtete, er habe ihr verraten nur darauf zu warten, eines dieser Kids, die bei ihm eingebrochen hatten, zu erschießen.

Trotzdem bleiben Fragen: Was hat der Schüler mitten in der Nacht in einer fremden Garage verloren? Warum, wenn er dringend etwas zu trinken wollte, hat er nicht geklingelt? Warum konnte er nicht warten, bis er wieder zu Hause war, wo doch das Haus seiner Gasteltern im selben Viertel lag? Eigentumsrechte werden in den USA im Gegensatz zu Deutschland großgeschrieben. Das hätte man einem deutsche Verhältnisse gewohnten Jugendlichen besser einmal vorher erklärt.

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