© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  20/14 / 09. Mai 2014

Kampf um jede Stimme
Große Koalition: Die SPD hat einen Streit über das kommunale Wahlrecht für Ausländer vom Zaun gebroche
Ekkehard Schultz

Darf in Zukunft jeder, der auf deutschem Boden lebt, eines der wichtigsten staatsbürgerlichen Grundrechte ausüben, auch wenn er keinen deutschen Paß besitzt? Geht es nach dem Willen der Integrationsbeauftragten der Bundesregierung und stellvertretenden SPD-Vorsitzenden, Aydan Özoguz, sollen zumindest die derzeit noch geltenden Beschränkungen auf der kommunalen Ebene bald ganz fallen. Denn nach ihrer Ansicht sei die „politische Teilhabe“ ein „sehr wesentliches Element“ für die Integration von Einwanderern.

Dabei wurden bereits im Maastricht-Vertrag von 1992 die gesetzlichen Möglichkeiten, auf der lokalen Ebene sowohl das passive, als auch das aktive Wahlrecht auszuüben, deutlich erweitert. Erstmals konnten auch EU-Ausländer in Deutschland ihre Stimme abgeben; wenngleich ihnen auch die Beteiligung auf der Länder- und Bundesebene noch verwehrt blieb. Ausgeschlossen von dieser Möglichkeit sind weiterhin die Staatsbürger eines Drittstaates.

Mit dem Vorstoß Özoguz’ rückt ein weiteres Themenfeld in den Mittelpunkt, bei dem die Meinungen der Großen Koalition auf keiner gemeinsamen Ebene liegen. Denn während Innenminister Thomas de Maizière (CDU) eine Aufweichung des bisherigen Grundsatzes, nach dem nur Staatsbürger das volle Wahlrecht haben dürfen, nicht akzeptieren will, findet Özoguz in ihrer Partei breite Unterstützung. So behauptete der schleswig-holsteinische Ministerpräsident Torsten Albig (SPD), daß das bisherige kommunale Wahlrecht „unseren Anspruch auf die Demokratie konterkarieren“ würde. „Wenn wir über Integration reden, müssen wir es endlich schaffen, daß alle Ausländer auf kommunaler Ebene zur Wahl gehen können“, forderte er in der Welt. Ebenso verlangt auch der Präsident des Deutschen Städtetages, Ulrich Maly (SPD), eine Reform. Zwar solle man „das kommunale Wahlrecht nicht sofort“, aber doch „nach mindestens fünf Jahren Aufenthalt in Deutschland“ gewähren. Denn dann „gehört man auch als Ausländer definitiv zur örtlichen Gemeinschaft“, so Maly.

Dagegen verweist die Union darauf, daß heute schon „rund 300 Millionen EU-Bürger“ in Deutschland ein kommunales Wahlrecht besäßen, sofern sie hier ihren Hauptwohnsitz hätten. Die Union befürchtet, daß bei einer Ausweitung des Kommunalwahlrechts der Eindruck entstehen könnte, daß dieses Recht neben dem Landes- und Bundestagswahlrecht „zweitrangig“ sei. Dies wäre „fatal“, warnte der Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Kommunalpolitik der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Ingbert Liebing: „Das Wahlrecht darf nicht beliebig aufgeweicht werden.

Befürworter verweisen auf andere EU-Staaten

Kommunalwahlen sind keine Wahlen zweiter Klasse“, so Liebing. Stattdessen sollten sich alle Beteiligten stärker für die Integration der hier lebenden Ausländer engagieren, damit diese „in eine deutsche Staatsbürgerschaft mündet“.

Weit mehr Unterstützung erhielt die Integrationsbeauftragte von den Grünen. So erklärte der Grünen-Innenpolitiker Volker Beck, daß seine Partei „nach der Sommerpause einen eigenen Entwurf einbringen“ werde, falls sich die Regierungskoalition bis zu diesem Zeitpunkt „nicht auf ein kommunales Ausländerwahlrecht“ einige. Ohnehin wäre auch eine Durchsetzung dieses Zieles ohne die Unionsparteien möglich. Denn „im Bundestag gibt es eine klare Mehrheit für ein Ja zu mehr Integration“, ist sich Beck sicher.

In diesem Zusammenhang verweisen die Befürworter einer Öffnung des Wahlrechts auf andere EU-Staaten. Tatsächlich verfügen unter anderem Belgien, Estland, Finnland, die Niederlande, Estland und Ungarn über eine solche Regelung. So dürfen in den Niederlanden alle Ausländer, die seit fünf Jahren im Inland wohnen, auf kommunaler Ebene ihre Stimme abgeben.

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