© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  20/14 / 09. Mai 2014

Dornenreicher Weg nach Brüssel
Alternative für Deutschland: Je näher der Termin der Europawahl rückt, desto unberechenbarer werden die Angriffe auf die Euro-Kritiker
Marcus Schmidt

Wie vom Schlag getroffen geht der Fotograf zu Boden. Eben noch hatte er sich hitzige Wortgefechte mit AfD-Anhängern geliefert, jetzt liegt der Mann im roten T-Shirt am Boden. Was ist passiert? Glaubt man der linken Journalistin Andrea Röpke, wurde ihr Fotograf auf einer Wahlkampfveranstaltung von AfD-Sprecher Bernd Lucke in Bremen von Ordnern bedrängt. Ihr habe man zudem versucht, die Kamera zu entreißen. Schließlich sei sie „die Treppe heruntergezerrt“ worden, schilderte Röpke im Spiegel, der ihr eigens dafür eine halbe Seite zur Verfügung gestellt hat, ihre Sicht der Dinge.

Ein Video des Vorfalls vom vergangenen Sonnabend, das die AfD auf ihrer Internetseite veröffentlicht hat, weckt indes Zweifel an der Darstellung Röpkes. In dem Film ist zu sehen, daß sich der Mann ganz offensichtlich fallenläßt, ohne zuvor geschubst worden zu sein. Währenddessen steht Röpke unbedrängt daneben und filmt die Szene.

Auch wenn sich der vermeintliche „Angriff“ auf Journalisten durch die Filmaufnahmen als Inszenierung entpuppt hat: das Medienecho für die Partei („AfD wirft Presse raus“) war verheerend. Die Ereignisse in Bremen haben der AfD zudem einmal mehr gezeigt, daß der Weg nach Brüssel noch sehr dornenreich sein wird. Wesentlich gefährlicher noch als gestörte Wahlveranstaltungen, abgerissene Plakate oder eingeschlagene Fensterscheiben in Parteibüros könnte indes eine Äußerung der saarländischen Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer aus der vergangenen Woche sein. Im Interview mit der Welt hatte die CDU-Politikerin der Partei „fremdenfeindliche Tendenzen“ unterstellt. „Die AfD entlarvt sich in diesem Europawahlkampf selbst. Das ist keine bürgerliche Partei.“ Und schließlich: „Was die AfD von sich gibt, ist für mich oft hart an der Grenze zur Verfassungsfeindlichkeit.“

Dieser Vorwurf stieß auf harsche Kritik. „Eine Partei, die sich der legitimen Konkurrenz der anderen Parteien nur durch Verleumdungen zu erwehren weiß, benimmt sich wie eine Betriebskampfgruppe, nicht wie ein bürgerlicher Verein“, sagte AfD-Sprecher Konrad Adam. Und Europakandidat Hans-Olaf Henkel sprach von einem „Angriff auf die Integrität“ seiner Partei. „Zur Zeit ist die AfD einem massiven medialen Kesseltreiben ausgesetzt, indem versucht wird, unser an Föderalismus und Bürgernähe ausgerichtetes Programm in eines für den rechten Rand umzudeuten.“ Mit ihrer Aussage liefere Kramp-Karrenbauer eine Art moralische Rechtfertigung für weitere Angriffe auf die AfD und ihre Mitglieder, sagte Henkel. „Hier werden nicht nur unbescholtene Bürger, die eine neue Partei aufbauen und ihr Recht auf Meinungsfreiheit ausüben wollen, indirekt für vogelfrei erklärt, hier werden die Grundlagen der Demokratie ausgehöhlt. Wenn eine so hochrangige Politikerin so viele Bürger ohne Begründung in die Nähe von Verfassungsfeinden rücken kann, dann ist die Demokratie gefährdet.“

Henkel, der derzeit ebenso wie Lucke, Joachim Starbatty und die anderen AfD-Kandidaten rastlos im Wahlkampf unterwegs ist, sah sich in der vergangenen Woche durch „ehrenrührige“ Berichte zu einer persönlichen Erklärung veranlaßt. Darin offenbarte er, der „Berliner Unternehmer“ zu sein, von dem die AfD ein zinsgünstiges Darlehen über 640.000 Euro erhalten hat (JF 19/14). Die Welt hatte zuvor berichtet, Henkel habe dem Kredit im Vorstand nicht zugestimmt. Damit hatte das Blatt, das nach Henkels Angaben diesen nicht zu dem Sachverhalt befragt hatte, Spekulationen über dessen Stellung in der AfD ausgelöst.

Als Darlehensgeber könne er nicht gleichzeitig Kreditnehmer sein, rechtfertigte Henkel nun seine Enthaltung. Angesichts der fortdauernden Angriffe auf den Wahlkampf der AfD und die Tatsache, daß die AfD „gegenüber den Altparteien noch immer finanziell schwer benachteiligt ist“, habe er zudem sein Darlehensangebot auf eine Million Euro erhöht, teilte Henkel mit.

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