© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  19/14 / 02. Mai 2014

„Zeit für einen Wandel“
Parlamentswahl Südafrika: Helen Zille kämpft auf allen Kanälen gegen das System Zuma
York Tomkyle

Helen Zille läuft kurz vor den südafrikanischen Parlamentswahlen am 7. Mai zur Hochform auf. Sie läßt kein gutes Haar an der ANC-Regierung unter Präsident Jacob Zuma. Neben Kritik an der extremen Gewaltkriminalität und Korruption wirft die Vorsitzende der oppositionellen Democratic Alliance (DA) und Premierministerin der Provinz Westkap Zuma vor, verantwortlich für den „unglaublichen“ Anstieg der Arbeitslosen in der Größenordnung von 365.750 Menschen pro Jahr zu sein. Zudem sei das Bruttoinlandsprodukt im vierten Jahr der Präsidentschaft Zumas unter das Zwei-Prozent-Wachstum gesunken.

Die Zeit für einen Wandel sei nun reif, erklärt die 63jährige und verweist auf ihre erfolgreiche Politik am Westkap – der Provinz mit der „niedrigsten Arbeitslosigkeit, den besten Lebensbedingungen sowie ansteigenden Bildungs- und Gesundheitsstandards“.

Ihr Engagament fruchtet. Laut Umfragen kann sie im Vergleich zu den Wahlen im Jahr 2009 zulegen. Während sie 2009 von 16.6 Prozent der registrierten Wähler gewählt wurde prognostiziert man ihr jetzt ein Ergebnis von bis zu 23 Prozent.

Zille, die auch schon Bürgermeisterin von Kapstadt war, ist seit 2007 Chefin der Partei, die sich bereits in der Apartheid-Ära als liberale Bürgerrechtspartei verstand und daher auch in den Augen der schwarzen Bevölkerungsmehrheit eine große Glaubwürdigkeit besitzt.

Im Jahre 2009 gewann Helen Zille die Wahlen für das Amt des Premierministers in der Western Cape Provinz mit 51.2 Prozent, welches sie seitdem bekleidet. Unmittelbar nach diesen Wahlen wurde eine Kampagne gegen Zille losgetreten, in welcher sie beschuldigt wurde, gutdotierte Posten in der Provinzregierung gegen sexuelle Gefälligkeiten verteilt zu haben – diese Kampagne verdeutlichte sowohl das Niveau der politischen Auseinandersetzung in Südafrika als auch das Ausmaß der Bedrohung seiner Macht, welche das ANC-Establishment in der Person Zilles zu erkennen glaubte.

Präsident Zuma verweigert Rededuell mit Zille

Die Zähigkeit und Standfestigkeit, die Zille in dieser Auseinandersetzung unter Beweis stellte, machten ihren Gegnern allerdings sehr schnell klar, daß diese sie unterschätzt hatten. Am Ende ging sie gestärkt daraus hervor und war nun auch für immer mehr schwarze Südafrikaner wählbar.

Zille, deren Eltern aus Deutschland nach Südafrika einwanderten und deren Nachname nicht zu Unrecht an einen großen deutschen Künstler erinnert – Heinrich Zille ist ihr Großonkel –, hatte sich bereits während der Apartheid für die Bürgerrechte engagiert. Sie zählt sicher zu den politischen Schwergewichten, die die Regierung um Präsident Zuma fürchtet – er lehnt es seit Jahren konsequent ab, sich im Fernsehen einem Rededuell mit ihr zu stellen. Wirklich gefährlich werden kann sie dem ANC jedoch zumindest zur Zeit nicht.

Dies könnte mittelfristig ein anderer: Julius Malema mit seinen erst 2013 gegründeten „Economic Freedom Fighters“. Meinungsumfragen sagen ihm bis zu vier Prozent der Wählerstimmen voraus. Der ebenso charismatische wie skandalumwitterte ehemalige Vorsitzende der ANC-Jugendorganisation hat in Südafrika vor allem durch seine radikalen Töne bei öffentlichen Auftritten einen sehr hohen Bekanntheitsgrad, bei denen er auch schon mal alte Kampflieder anstimmt, die zum Töten von Weißen aufrufen.

Nach einem Zerwürfnis mit Präsident Zuma, mit dem er einst verbündet war, verließ er den ANC, gründete seine eigene Partei und prangert seitdem in der ihm eigenen polarisierenden Weise die korrupte schwarze Führungsschicht ebenso an wie die wohlhabenden Weißen. Er steht für radikale Lösungen, fordert die weitgehende Enteignung der Weißen und beruft sich auf den Marxismus-Leninismus als politisches Programm. Fast 50 Prozent seiner Anhänger sind unter 24, und genau das ist das Pfund, mit dem er in Zukunft wuchern könnte: Seine radikalen Lösungen fallen besonders bei denen auf fruchtbaren Boden, die von der sowieso sinkenden Prosperität des Landes abgekoppelt sind. Im kinderreichen Südafrika sind das vor allem die Jungen.

Vieles spricht dafür, daß die neue Regierung identisch mit der alten sein wird. Denn trotz einer vernichtenden Bilanz und schwersten persönlichen Verfehlungen vieler Regierungsmitglieder, allen voran des Präsidenten selbst, zehrt der regierende ANC weiterhin vom verblassenden Nimbus der Kampfzeit gegen die Apartheid und der Ikone Mandela.

In aktuellen Umfragen kann der ANC seine Macht zumindest stabilisieren, wenn nicht ausbauen. Die führenden Meinungsforschungsinstitute des Landes sahen die Partei zuletzt bei 66,1 Prozent (2009: 65,9) und damit nur knapp unterhalb der Zweidrittelmehrheit.

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