© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  18/14 / 25. April 2014

Hohe Kosten und magere Ergebnisse
Europäischer Auswärtiger Dienst: Das supranationale Amt brilliert in erster Linie durch die Existenz eines teuren Beamtenapparates
Hans B. von Sothen

Welche Telefonnummer hat Europa?“ Diese boshafte Frage stellte bereits 1973 US-Außenminister Henry Kissinger, als er nach der Relevanz der europäischen Außenpolitik befragt wurde. Es gab für das Department of State damals keinen außenpolitischen Ansprechpartner bei den europäischen Institutionen. Bei den Eurokraten in Brüssel nagte seither diese spöttische Bemerkung am Selbstbewußtsein.

Die Europäische Ratspräsidentschaft, die für solche Fragen zuständig war, rotierte alle halbe Jahre zwischen den einzelnen Ländern. Im Zuge des Maastricht-Vertrags (1993) beschloß die EU eine „Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik“ (GASP). Diese blieb aber lange ein reines Instrument des Europäischen Rates, also der nationalen Regierungen. Das war etwas, was der Brüsseler Elite zutiefst mißfiel, da man sich dort seit Jean Monnet auf supranationale, von den Nationalstaaten unabhängige Institutionen als Mittel der europäischen Politik festgelegt hat.

Deutsch hat keine Chance, Amtssprache zu werden

Der Durchbruch in diese Richtung kam, als im Dezember 2009 mit maßgeblichem Druck von Bundeskanzlerin Merkel der Vertrag von Lissabon in Kraft trat. Erstmals hatte damit die EU mit einem eigenen Außenminister ihre lang-ersehnte internationale Telefonnummer erhalten. „Außenministerium“ durfte die neue Institution nicht heißen; sie bekam daher den Namen „Europäischer Auswärtiger Dienst“ (EAD). Die neue EU-„Außenministerin“ erhielt den leicht verschwurbelten Titel „Hoher Vertreter der Europäischen Union für Außen- und Sicherheitspolitik“. Man entschied sich bei diesem Posten für die britische Labour-Politikerin – und damalige EU-Handelskommissarin – Catherine Ashton, eine Frau ohne Charisma und außenpolitische Erfahrung.

Die Planungen für den EAD waren ehrgeizig. Anfangs sollte der Dienst 5.400 Mitarbeiter haben. Ein Wermutstropfen für die „Supranationalen“: Nur zwei Drittel des Personals sollen EU-Personal sein, ein Drittel wird nach wie vor direkt von den Außenministerien der nationalen Regierungen stammen. Letztere bleiben aber nur für eine begrenzte Zeit tätig, während das EU-Personal fest bleibt. Das bleibt ein Plus für die eingefahrenen Machtstrukturen der EU.

Denn nur die direkt aus Brüssel bezahlten EU-Beamten beginnen im Laufe der Zeit ihre Loyalität zu ihren nationalen Regierungen und zu ihren Nationen abzustreifen und eine neue Loyalität zur EU-Bürokratie zu entwickeln, wie der Grazer Soziologe Max Haller („Die Europäische Integration als Elitenprozeß“, 2009) feststellte.

In Berlin zeigte man sich zunächst enttäuscht darüber, daß Ashton kaum deutsches Personal an wichtige EAD-Positionen berief. Die als Ausgleich erhobene Forderung des damaligen außenpolitischen Sprechers der Unionsfraktion, Philipp Mißfelder, doch bitte Deutsch als verbreitetste Sprache in der EU als eine der Sprachen des EAD zu akzeptieren, wurde abgelehnt. Die Vorrangstellung von Englisch und Französisch in der EU wurde damit noch im März 2010 auch beim EAD zementiert.

Langfristig sollen die nationalen Außenministerien sich zugunsten des EAD selbst abschaffen. Dieser Meinung ist man auch bei der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP), einer Schwesterorganisation des amerikanischen Council on Foreign Relations (CFR). Dort versichern zwei Mitarbeiter in der Denkschrift „Deutschland und der Europäische Auswärtige Dienst“, daß als Zielvorgabe die „schrittweise Europäisierung der deutschen Außenpolitik“ zu gelten habe.

Seit Jahr und Tag hört man aus Brüssel daher Mahnungen, die nationalen Außenministerien sollten mehr „einsparen“. Die grüne deutsche Außenexpertin Franziska Brantner fordert für das AA, daß „nationale Regierungen bereit sind, bei sich selbst zu kürzen“.

Das EU-Parlament dagegen verweigert mit aller Entschiedenheit jede Einsparung. So stimmten noch im Februar 2013 515 EU-Abgeordnete gegen 104 nicht nur gegen jede Reduzierung der EU-Verwaltungsausgaben, sondern auch dagegen, dem Ausgabegebaren des EAD genauer auf die Finger zu sehen. Die 1.900 Beamten des EAD leben nicht schlecht. EU-Diplomaten kassieren nicht nur ein durchschnittliches Grundgehalt von 7.000 Euro. Jeder der 750 EAD-Bediensteten, der in einer der 133 EU-Botschaften weltweit arbeitet, erhält zusätzlich eine Zulage von 8.050 Euro, wie ein internes EU-Dokument berichtet. Zusätzlich verfügt gegenwärtig jeder dritte EU-Diplomat über einen Luxusdienstwagen: insgesamt 717. Seit Beginn des Jahres 2014 gibt es 145 neue Karossen. Kosten: 3,9 Millionen Euro.

Ashtons Bilanz seit ihrem Amtsantritt ist dagegen mager. Bei keiner außenpolitischen Krise konnte sie sich auch nur einigermaßen Gehör verschaffen. Bis zur Gegenwart: In der Ukraine-Krise war vom EAD fast gar nichts zu hören war. Als vor kurzem in Brüssel über die Ukraine-Hilfe beraten wurde, fielen die Entscheidungen darüber im Rat der EU-Außenminister und in der EU-Kommission. Die EU-Unterstützergruppe („Support Group“) für die Ukraine wurde durch die Kommission gebildet. Das Hilfspaket der EU im Umfang von elf Milliarden Euro für die Ukraine wurde der Öffentlichkeit von Kommissionspräsident Barroso kommuniziert.

Entscheidungen fallen in Washington und London

Von Ashton vernahm man außer ein paar allgemeinen Sätzen wenig. Vom EAD war, wenn überhaupt, nur zu hören, wenn die Entscheidungen in Washington, London oder im Nato-Hauptquartier bereits gefallen waren.

Die Stimmen in Brüssel und den wichtigsten deutschen Denkfabriken sind fast gleichlautend: Deutschland sollte seinen Auswärtigen Dienst mittelfristig abschaffen. Ein Schritt zur „Weltinnenpolitik“, wie sie Ex-Außenminister Genscher erstmals im Januar 1989 vor dem Weltwirtschaftsforum als Ziel beschrieb.

Hat Deutschland durch die europäische Integration keine eigenen Interessen mehr, die es zu formulieren gälte? Auf diese Idee würde wohl in Washington, London oder Paris niemand kommen. Adenauer wußte, daß Außenpolitik die Königsdisziplin jedes souveränen Staates ist. Denn bis 1955, als das Besatzungsstatut und damit die direkte Regierung der Alliierten über Deutschland offiziell abgeschafft wurde, hatte die Bundesrepublik keinen eigenen Außenminister. So bleibt nach der Etablierung des EAD die Erkenntnis: Jedes Land hat ein Außenministerium. Nur ist es manchmal nicht das eigene.

Foto: US-Außenminister John Kerry und die Hohe Vertreterin der EU für Außenpolitik, Catherine Ashton: Gleichschritt in der Ukraine-Politik

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