© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  18/14 / 25. April 2014

Eine neue Heiz-GEZ ist im Anmarsch
Energieeinsparverordnung: Mit einer Neuregelung ab Mai kommen auf die Deutschen neue Belastungen zu
Ronald Gläser

Klaus B. schüttelt den Kopf. Der Kaufmann ist schockiert über die Stromkosten in „seinen“ Objekten. Seine Hausverwaltung betreut 4.000 Wohnungen im Großraum Berlin. Das ist ein repräsentativer Ausschnitt aus dem Immobilienmarkt der Hauptstadt. Sein Fazit: „In nur drei Jahren sind die Stromkosten der von uns verwalteten Häuser und Wohnungen um dreißig Prozent gestiegen.“ Und dieser Trend wird sich fortsetzen, warnt er.

Die steigenden Stromkosten sind aber nur eine Sache, die dem Immobilienfachmann Sorgen bereiten. Da ist zur Zeit vor allem die sogenannte Energieeinsparverordnung 2014 (EnEV 2014), die im Mai in Kraft tritt. Sie wird das Leben und Wohnen in Deutschland weiter verteuern. Es entstehen Mehrkosten für Millionen Deutsche, die von diesem Gesetz in der Regel noch nie gehört haben. Die EnEV 2014 ist eine von vielen Pflanzen im deutschen Gesetzesdschungel. Sie regelt die Einzelheiten des Energieeinspargesetzes (EnEG), das Bauherren vorschreibt, daß sie Gebäude so zu errichten haben, daß „vermeidbare Energieverluste unterbleiben“.

Es bleibt nicht bei so abstrakten Vorgaben wie „vermeidbare Energieverluste“. Besonders ärgerlich aus Sicht des Verbraucherschutz- und Immobilienbesitzervereins Hausgeld-Vergleich sind neben den verschärften Regeln für Neubauten die Vorgaben zum sogenannten Energieausweis. Der Ausweis sei ein „neues Bürokratiemonster“, klagt der Verein.

Dieser Ausweis ist ein halbamtliches Dokument, das von Architekten oder anderen Bausachverständigen ausgestellt wird. Es bildet die Energieeffizienz eines Hauses auf einer bunten Skala von 0 bis 400 ab.

Es gibt unterschiedliche Ansätze, wie dieser Wert berechnet wird. Im Idealfall fährt der Gutachter zum Haus, schaut sich Fenster, Wände und den Dachboden an. Dann prüft er die Dicke der Wände anhand der Grundrisse. Er muß aufs Bauamt fahren. Alles fließt in seine Berechnung ein. Und doch warnt jeder Energieausweis standardmäßig, daß die „angegebenen Werte keinen Rückschluß auf den tatsächlichen Energieverbrauch zulassen“.

Wie auch? Letztlich hängt der Verbrauch vom Bewohner und seinen Angewohnheiten ab. Der eine bevorzugt es wie Thilo Sarrazin, einen Extra-Pulli überzuziehen. Der andere heizt, was das Zeug hält. Zudem bezieht sich der Energieeffizienzwert stets auf das ganze Haus. Eine einzelne Wohnung kann deutlich nach oben oder unten abweichen.

„Dingdong, ich will Ihren Energieausweis sehen“

„Jede Heizkostenabrechnung der Ener-gieablesefirmen ist korrekter zur Beurteilung des Verbrauchs einer bestimmten Wohnung und des gesamten Hauses als der Energieausweis“, kritisiert Hausgeld-Vergleich-Chef Norbert Deul. Trotzdem wird das Dokument jetzt zur Pflicht. Der Staat verschärft die Regeln. Bislang galt, daß ein Hausbesitzer einem potentiellen Mieter oder Käufer den Ausweis unverzüglich zur Verfügung zu stellen hatte. Wer verkaufen oder vermieten wollte, mußte damit rechnen, danach gefragt zu werden. Also war er gut beraten, sich präventiv einen Ausweis zu verschaffen, auch wenn er selbst gar kein Interesse daran hatte. „Das war schon immer eine Gelddruckmaschine“, meint daher auch Klaus B., der Hausverwalter.

Doch obwohl es ein großes Umweltbewußtsein in Deutschland gibt, war die Nachfrage nach den Ausweisen mickrig. So bestätigt ein Berliner Makler das geringe Interesse der Marktteilnehmer an dem Energiepaß: „Bei unseren Mietern fragt allerhöchstens jeder zwanzigste nach einem solchen Energiepaß.“ Bei den Käufern sei die Quote nur unwesentlich höher.

Mit der EnEV 2014 wird der Ausweis zum Muß. Dem Bundestag schwebten zudem GEZ-ähnliche Kontrollen an der Haustür vor, als er im November 2013 Stichproben gesetzlich regelte, die ab Mai vom Deutschen Institut für Bautechnik ausgeführt werden. Aber nur so lange, bis die Bundesländer eigene Kontrollorgane aufgebaut haben, um die Bürger zu überwachen. Auch wird es demnächst als Ordnungswidrigkeit geahndet, wenn ein Vermieter eine Wohnung inseriert, ohne auf ihre Energieeffizienzklasse hinzuweisen. Auf eigene Kosten, versteht sich.

Und weil das Dokument von vielen Experten und solchen, die von anderen dafür gehalten werden, ausgestellt wird, gibt es viele Anbieter, die sich im Netz mit Dumpingpreisen („ab 25 Euro“) unterbieten. Auch hier greift der Staat jetzt lenkend ein und registriert in einem ersten Schritt alle Aussteller. Auch alle Ausweise werden künftig durchnumeriert sein. Deutschland, einig Nummernland.

Der Immobilienbesitzerverband Hausgeld-Vergleich kritisiert die planwirtschaftlichen Vorgaben: „Haus- und Wohnungsbesitzer sowie Mieter sind durchaus in der Lage, selbst zu entscheiden, wieviel Energieeinsparung sie anstreben und welche diesbezüglich notwendigen Investitionen sie sich leisten können und wollen.“

Aber jetzt müssen sie zunächst einmal den Energieausweis zahlen, der bei einem Mehrfamilienhaus schnell ein paar hundert Euro kostet. Natürlich werden die steigenden Kosten für Immobilienbesitzer so oder so auf die Mieter umgelegt werden. Mietpreisbremsen und andere Regulierungen hin oder her. Insofern tragen die Ausweise und erst recht die anderen gesetzlichen Vorgaben zu mehr Dämmung oder dem Austausch von alten Heizungsanlagen von vor 1985 zu steigenden Mieten bei.

Das Ende der Fahnenstange ist noch lange nicht erreicht. Schon jetzt kursiert das Gerücht, eines Tages werde ein Energieausweis für jede einzelne Wohnung fällig. Dann wird es noch einmal richtig teuer.

In den vergangenen Wochen haben Gutachter jedoch fast für niemanden mehr Energieausweise ausgestellt. Denn: Ab 1. Mai verdienen sie mehr. Die neu ausgestellten Ausweise sind alle fünf Jahre zu erneuern und nicht mehr alle zehn Jahre. Klartext: Ihr Honorar verdoppelt sich im gleichen Zeitraum. Gute Zeiten für Gutachter.

Foto: Immobilien mit Energieausweis: Keiner will ihn, jeder kriegt ihn – dabei variiert der Preis für das Dokument ebenso wie die Aussagekraft erheblich

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